
„Egal ob Osten oder Westen,
Süden oder Norden.
So lange mich diese Beine tragen,
werde ich alles wagen.
So lange du nur an mich glaubst,
weiß ich, dass mir doch nichts passieren wird.
So lange bleibe ich unverwundbar
Und gehe weiter unbeirrt.“
(aus dem Song Unverwundbar)
Diese Zeilen sang er in mein Ohr, während ich gegen vier Uhr morgens quer über die Reeperbahn lief. Innerlich summte und sang ich Zeile für Zeile mit. Im Slalom führte es mich an Obdachlosen, Gesetzeshütern, wartenden Taxifahrern, sowie lauten und betrunkenen Personen vorbei. Senore Matze Rossi (vorherige Band Tagtraum) sang unbeirrt weiter. Er war und ist mein ständiger Begleiter. Und das nicht nur für mich. Für viele andere auch, denen er mit seiner Musik aus der Seele spricht. Es ist das pure Leben, was sich in seinen Texten widerspiegelt. Ihm glaubt man jedes gesungene Wort. Jeden Satz, den er mit unwahrscheinlich viel Herzblut und Leidenschaft vorträgt. Seine raue Stimme fesselt, erzeugt Gänsehaut und bringt das Herz schneller zum schlagen. Eine Achterbahn der Gefühle, wie man immer so schön sagt. Selbst mir haben diese Lieder immer wieder den Arsch gerettet: Wenn man sich nach dem klingeln des Weckers regelrecht aus dem Bett quälen musste, keinen Menschen sehen und ertragen konnte und sich dennoch zwingen musste, zur Arbeit zu gehen, obwohl man sich am liebsten den ganzen Tag im Bett verkriechen wollte und einem nur zum weinen zumute war. Man kam weder vor noch zurück, trat auf der Stelle.
Und Du wirst wissen was du brauchst,
Und du wirst finden was du suchst.
Wo du auch bist und was immer du auch tust.
Das sind Zeilen, die einen wieder langsam die Kraft geben, die man in den vergangenen Tagen und Wochen irgendwo verloren hat. Man beginnt Schritt für Schritt erneut zu wachsen, die Tränen werden weniger. Musikmachen kann jeder, ja. Aber nur die wenigsten schaffen es mit ihrer Musik, den verzweifelten Menschen wieder neuen Mut zu geben. Senore Matze Rossi gehört definitiv zu den Musikern, die das können. Es ist authentisch. Es ist das wahre Leben, was er besingt. Hiermit bedanke ich mich bei Senore Matze Rossi für jede einzelne Zeile, die er auf das Papier und später unter die Menschen brachte. Auf dass uns seine Songs noch viele Jahre begleiten werden!
Matze war so gut und beantwortete noch einige Fragen. Am 16. Oktober wird er auch endlich wieder in Hamburg spielen und dann wird es auch ein ausführlicheres Interview geben!
Wenn du an die Zeit mit Tagtraum zurückdenkst: Gibt es etwas, was du vermisst?
Hm, ich vermisse eigentlich nichts aus der Tagtraumzeit, vielleicht das ein oder andere Lied. Nach dem ersten Jahr alleine touren habe ich es allerdings sehr vermisst mit meinen Freunden im Tourbus zu sitzen und gemeinsam Musik zu machen. Das habe ich aber schnell wieder gehabt mit meiner tollen Band, in der ja auch Tobi mit spielt.
Wie kam es danach zu Senore Matze Rossi?
Den Namen habe ich mir eigentlich nicht selber ausgesucht. In der ersten Zeit, noch gleichzeitig mit Tagtraum, habe ich ab und zu ein paar Bands supportet und da ich ja keine Namen dafür hatte, stand immer Matze von Tagtraum auf den Flyern. Irgendwann schrieb ein Freund Senore Matze Rossi (als Anlehnung an das Tagtraumlied) und irgendwie habe ich den dann behalten. Namen werden einem halt gegeben, die sucht man sich nicht aus.
Was war das schönste Kompliment, was du für deine Musik bekommen hast?
Hm, das schönste Kompliment? Puh, komische Frage. Jedes Kompliment hat einen gewissen Zauber und ich möchte keines bewerten. Abgesehen von den privaten Briefen oder Mails die ich bekomme, ist es immer wieder unglaublich was für Stimmungen bei Konzerten entstehen können, wenn die Menschen da mit leuchtenden Augen stehen, tanzen und lauter singen als ich. Balsam für die Seele.
Was bedeutet Musik für dich?
Eine ganz große Liebe.
Konzerterlebnisse: Was ist dir noch gut in Erinnerung geblieben?
Ich führe zu jedem Konzert seit Tagtraum Tagebuch und da gibt es einige Momente, die sich an positiven und negativen Ereignissen überbieten, das sprengt den Rahmen hier.
Positiv ist immer, wenn die Chemie stimmt, wenn die Interaktion zwischen Band und Zuhörern da ist und wächst und explodiert. Negativ ist eigentlich nur, wenn der Rahmen des Konzertes nicht paßt und man zum Beispiel nach einer Ska-Band spielen muss.
Vielen Dank, Matze! Und weil es so schön ist, befragte ich auch gleich noch ein paar Personen über Herrn Rossi. Tommy Finke macht den Anfang:
Wie würdest du jemanden Senore Matze Rossi beschreiben, der ihn nicht kennt?
Matze kann man gut als den bodenständigen Altpunker bezeichnen, der es geschafft hat, sich weiterzuentwickeln. Ein Typ, mit dem man super auskommen würde, wenn man mit ihm auf einer einsamen Insel festsitzen würde.
Was bedeutet dir seine Musik?
Ich höre Matze immer gerne, wenn ich selber über neue Lieder nachdenke. Nicht zum abkupfern, aber zum Kopf-Freimachen. Ich finde, Matzes Musik legt einem gut Gedanken in den Kopf.
Dein absolutes Lieblingslied?
Eindeutig „Ich lasse mir nichts mehr nehmen“. Es gibt auch ein Lied über Matze als Geist, aber ich habe vergessen, wie das heißt.
Dein schönstes Konzerterlebnis?
Steht mir noch bevor, weil wir am 24.09. in Köln zusammen im Rubinrot auftreten werden. Ich habe schon mal mit Matze zusammengespielt, musste aber am nächsten Tag früh raus und bin daher nicht in Köln geblieben, um mit ihm zu quatschen. Das war schade, das hole ich jetzt nach.
Damit aber noch lange nicht genug! Durch etwas stöbern auf den Fanseiten auf Facebook, stieß ich auf eine junge Dame namens Elisa Scholze-Starke (welche wirklich sehr schöne Kurzgeschichten schreibt!), die ich spontan einfach fragte, ob sie an einem Interview Interesse hätte. Hatte sie! Vielen Dank!
Wie bist du zu Senore Matze Rossi gekommen?
Mein bester Freund hat mir wohl 2oo5 Musik von Tagtraum gezeigt. Viel zu spät, wie ich finde! Ich fand Matzes Stimme anfänglich gewöhnungsbedürftig, aber die Musik hat mich echt bewegt, ich fands gut. Und Matze selbst hatte da ja auch schon das Solo(w) Boy, So-Low-Album draußen, was zwar anders war, aber irgendwie… weiß nicht. Es hat etwas Tolles in mir ausgelöst. Deswegen blieb ich bei der Musik.
Was bedeutet dir seine Musik?
Als ich Tagtraum/Matze angefangen habe zu hören war ich, na ja, in einer ziemlich beschissenen Zeit. Mir ging es wirklich mies. Und irgendwie hat mir die Musik ganz krass geholfen, aus meinem Loch zu kommen bzw. zumindest nicht tiefer zu versinken. Matze wird wahrscheinlich bewusst sein, dass man sich mit extrem vielen seiner Texte identifizieren kann. Das ging mir nicht einmal so. Es war eher wie: “Aha, ich bin nicht alleine.” Oder so, kein Plan… TT und SMR haben für mich eine lange Zeit wirklich sowas wie, na ja, ein Lebenselixier dargestellt. Was dann auch der Grund für mich war, wieso ich mir 2oo6 das SMR-Strichmännchen (Idiot auf dem Hügel) hinters linke Ohr auf den Hals habe tätowieren lassen. Matze kennt es auch und ich freue mich auf jedem Konzert, wenn er es sieht und sich freut!
Ich muss allerdings sagen, dass das 2oo8er Matze-Album für mich nicht so der Hit ist. Es hat viel Schönes, aber ich höre es eigentlich nie. Live ist das was anderes, da fetzt jedes Lied. Aber so mag ich das letzte nicht so sehr. Bin daher ziemlich gespannt auf das kommende Album.
Wie würdest du ihn jemanden beschreiben, der ihn nicht kennt?
Nicht wie würde ich, wie muss ich! Ich werde ständig auf das Tattoo angesprochen und dann heißt es immer: “Wer ist denn SenoreMatzeRossi und was macht der so?” Tja, er macht deutschsprachige Musik, war 13 Jahre lang Sänger der Punkrockband Tagtraum. Inzwischen ist er viel solo unterwegs, nur mit seiner Akustikgitarre oder mit seiner neuen Band. Manches geht schon in eine ziemlich popige Richtung inzwischen, aber eigentlich hat er für sich so diesen Acoustic/Indie-Stil. Das Krasseste sind für mich aber nach wie vor die Texte. So viel (deutsche) Musik ist einfach schwachsinnig. Hört sich erstmal gut an, aber man kann nur den Kopf schütteln, wenn man genauer lauscht. Bei Matze ist einfach, mh, ganz viel Ehrlichkeit in den Texten. Die manchmal echt schon wehtun kann! Er hat einfach Sinn zwischen den Zeilen und das finde ich wirklich bemerkenswert. Also auch, weil er mit seiner Musik scheinbar so viel von sich und seiner Seele preisgibt.
Dein absolutes Lieblingslied und warum?
Lieblingslied, oh Gott… du kannst Fragen stellen. Und es geht jetzt nur um Rossi? Auf jeden Fall Die Zeit sitzt uns im Nacken, weil das Lied irgendwie… Ich habe am Anfang immer Gänsehaut bekommen, wenn ich es hörte. Das ist dieses Ding mit der Ehrlichkeit: Es ist fast schon verletzend, aber irgendwie hat es mir auch ganz viel bewusst gemacht.
Ja, und Wie oft soll ich mir meine Finger noch verbrennen, Bald zu Hause, Dreh mich und Matzes Analog am Stück-Version zählen halt auch zu meinen absoluten Lieblingsliedern. Aber es ist eben bei allen so, dass da so Momente im Lied sind, wo mir echt das Herz aufgeht. Und ich denke, dass es ganz viel auch an Matzes Stimme liegt, an die ich mich erst gewöhnen musste, von der ich jetzt aber gänzlich hingerissen bin.
Das schönste Konzerterlebnis?
Das tollste Konzert war natürlich das absolut letzte Tagtraum-Konzert. Ich habe mir das sogar von einer Freundin als kompletten mp3-live-Mitschnitt geben lassen, weil es einfach so atemberaubend war und es ist mein Lieblings-TT-/SMR-Album. Ich stand so dritte Reihe (zeitweise, ging ja heiß her) und ich sehe Matze noch genau vor mir: Das aaaaaallerletzte Tagtraum-Lied war Balsam und wie er zum Schluss selbst schon unter Tränen schrie “Und wir sind raus!“, das war so… da dachte ich, dass ich gleich zusammenklappe, weil es mich so bewegt hat.
Dann war ich auf dem ersten Matze-solo-Konzert in Hof, was nicht besonders toll war. Der Grund: Die Leute haben die ganze Zeit nur gelabert, kaum jemand hörte ihm zu. Und dann spielte er Von Holzschwertern und hat mittem im Lied gestockt und sagte: “Leute, bitte, seid zumindest dieses Lied still. Zollt meiner Familie (denn das Lied ist ja für seine Söhne) den Respekt, den sie verdient haben.” Das fand ich auch sehr ergreifend.
Cool war auch 2oo6 (?) im KATO, als vor Matze Solowboy gespielt hat und er sich Matzes Gitarre ausleihen musste. Matze saß halt die ganze Zeit mit da und hat so gegrinst. Und später meinte er nur, dass Gitarre wie Zahnbürste ausleihen sei.
Ach genau, und dann hat er in Pößneck ja auch irgendwie zwei Mal oder so gespielt. Und das eine Mal hat vor ihm die ehemalige Band meines besten Freundes (A Fond Farewell) gespielt und Matze stand direkt mit vor der Bühne. Jedenfalls haben AFF Buntstiftsüchtig, Hand aufs Herz und noch ein drittes Lied gecovert und Matze hat das total geflashed irgendwie. Das war schön.