Schön ist es, wenn man plötzlich solche Nachrichten gesendet bekommt: „Weißt Du was cool ist? Es gibt nicht so viele Leute, die Musk ähnlich lieben wie man selber. Bei Dir hab ich das Gefühl eindeutig. Ich muss zugeben, dass ich nicht so viele Blogs lese. Aber was Du schreibst, ist ehrlich und gefällt mir. Dachte, das schreib ich Dir einfach mal.“ Mein Herz im Sturm erobert! Daniel heißt derjenige, der mir diese Zeilen zukommen ließ. „Besitzer“ von Tinnitus Attacks. Man tauschte sich aus. Über die anfallende Blogarbeit. Über gute Musik. Als Daniel mir dann noch einen Youtube-Link schickte, der mich zu einem Song von The Loved Ones führte, war das Eis endgültig gebrochen. So schnell kann das manchmal gehen!
So verwundert es nun nicht, dass Daniel mit Fragen über Tinnitus Attacks bombadiert wurde und er ein paar Tage daran zu knabbern hatte. Was dabei rausgekommen ist? Lest selbst!
Daniel, wie bist du überhaupt zum Schreiben gekommen?
Das hat ganz klassisch mit der Schülerzeitung angefangen. Ich hab mich schon für Musik begeistert, als ich elf Jahre alt war – vielleicht auch, weil ich mit viereinhalb Jahren angefangen hab, Geige zu spielen. Es muss dann so in der neunten Klasse gewesen sein, da hab ich angefangen für unsere Schülerzeitung, den „Thalamus“, zu schreiben. Ich fand, dass es so viel gute Musik gibt, die mit Ignoranz gestraft wird, während Schrott die Charts dominiert. Dagegen wollte ich etwas tun, das hatte beinah schon missionarischen Eifer. Die erste Ausgabe der Plattenkritiken erschien unter dem Namen „Noise Kitchen“, dann hab ich mir noch etwas Kreativeres überlegt…
Kannst du dich noch daran erinnern, um was es sich in deinem allerersten Artikel drehte?
Wenn man den ersten Artikel aus dem Thalamus nimmt, war es wohl eine Plattenkritik. Ich glaube, Genesis und ihre „Calling all Stations“. Wie auch bei meinem Plattenschrank war diese Premiere nicht unbedingt wegweisend. Ich meine, „No Jacket Required“ von Phil Collins war meine erste CD. Das hat nicht gerade viel mit meinem heutigen Musikgeschmack zu tun. Der erste Artikel für die Zeitung war etwas unspektakulär Lokales.
Mit wem hattest du dein erstes Interview und wie verlief es?
Für den Thalamus hab ich eine Death Metal Band aus unserer Gegend interviewt, die sich nach dem B-Movie „Tremors“ benannt hat. Das war cool, eine Bandprobe mit schwachsinnigen Fragen und gesponsertem Bierkasten. Das erste für die Musikseite der Schwäbischen Zeitung war glaube ich Farin Urlaub, den ich dafür in Stuttgart getroffen habe. Das war großartig, weil das Interview doppelt so lange dauerte wie ursprünglich geplant und zu einem Grundsatzgespräch über das verbliebene Potenzial der Rebellion in der Musik wurde.
Wie kam es zu Tinnitus Attacks?
Wann immer es geht, schreibe ich bei der Schwäbischen Zeitung Texte für die Musikseite und die Kultur. Ich wollte aber noch mehr über Musik schreiben. Da schien mir ein eigenes Blog die beste Lösung. Anfang 2011 hab ich mich dann ernsthaft damit beschäftigt, am 17. März – dem St. Patrick’s Day – hab ich damit losgelegt. Damit bin ich kein Blogger der ersten Stunde, aber so kann ich jetzt die journalistischen Fähigkeiten, die ich im Volontariat und in meinen Jahren Berufserfahrung gesammelt habe, auch in dieses Blog einfließen lassen.
Und warum gerade dieser Name?
Da kommen wir wieder zur Schülerzeitung: Noise Kitchen war mir zu platt, aber irgendwie kam ich auf Tinnitus Attacks. So nannte ich meine Rubrik dann. Als ich das Blog ins Leben gerufen habe, gefiel mir der Gedanke, so eine Art 2.0-Version meiner Plattenkritiken von damals zu machen.
Bist du alleine dafür verantwortlich oder gibt es tatkräftige Unterstützung?
Tinnitus Attacks ist mein Baby, um das sich ein Großteil meiner recht raren Freizeit dreht.
Könnten sich denn interessierte Leute bei dir melden, wenn diese sagen: „Och, ich würde gerne bei dir einsteigen!“ ?
Der einzig denkbare Co-Autor ist gerade auf einem ausgedehnten Trip um die Welt unterwegs, sitzt in Aserbaidschan – und ist gerade vermutlich schon wieder auf dem Sprung ins nächste Land auf seiner Globetrotter-Liste.
Was hat Tinnitus Attacks, was andere nicht haben?
Mich.
In welche Musikrichtung geht das bei dir? Ist das Genre egal oder spezialisierst du dich auf etwas?
Ich bin mit Klassik sozialisiert, hab den Metal vergöttert, mich dem Punkrock zugewandt und bin bei Indie und Folk gelandet, Alternative Country, Post-Hardcore und so was, da steh ich auch total drauf. Das alles (ok, Klassik nicht) findet man auf meinem Blog. Die Auswahl ist subjektiv, und alles, was mit Electro und Hip-Hop zu tun hat, wird man bei mir nicht finden. Damit kann ich einfach nichts anfangen.
Hand aufs Herz: Welche Aufgaben nerven?
Ich hab mir von Anfang an gesagt, dass das Blog keinen Stress bedeuten soll. Insofern kann mich auch nichts nerven, weil ich den Arbeitsaufwand selbst bestimme.
Und was macht besonders viel Spaß?
Wenn Bands und Labels auf mich zukommen und wollen, dass ich was über sie schreibe. Ich meine, Tinnitus Attacks ist unkommerziell, werbefrei und idealistisch und ich versuche, ohne große Werbung die Zahl meiner Leser zu steigern. Ich mag die Überschaubarkeit und die Dimensionen dieser Szene.
Letzte Worte?
Tinnitus Attacks lesen steigert das Wohlbefinden, verhindert Falten und verlängert das Leben. So wie gute Musik halt.
Top Five Platten:
1.) The Weakerthans – Reconstruction Site. Weil John K. Samson so herrlich melancholische Songs mit so herrlich ehrlichen Texten schreibt.
2.) The Hold Steady – Stay Positive. Weil Craig Finn mein Lieblingsnerd ist. Wann schreibt er endlich ein Buch?
3.) Hot Water Music – Caution. Im Secondhand-Laden in Dublin erstanden. Seit dem Interview beim Pirate Satellite Festival kann ich die Songs von Wollard noch besser verstehen.
4.) Arcade Fire – Neon Bible. Weil sie mich immer wieder aufs Neue um den Finger wickelt, bedrückt, beeindruckt.
5.) The Fratellis – Costello Music. Weil es keine bessere Band auf der Insel gibt. Ok, das sind große Töne. Dumm nur, dass sie sich aufgelöst haben. Die kommen wieder, wetten wir?
Top Five Konzerte:
1.) Murder By Death – 2007 im Atomic Café in München. Ein winziger Club, eine Handvoll handverlesener Nerds, Songs über Tod, Teufel und Zombies. Wie romantisch.
2.) Flogging Molly – 2006 beim Zeltfestival in Konstanz. Ein musikalischer Kurzurlaub inmitten einer stressigen Zeit. Mit der Fähre zum Folkpunk-Fest.
3.) Chuck Ragan, Dave Hause, Tom Gabel und Dan Adriano: 3-Stunden-Akustikset beim Pirate Satellite Festival. April 2012 im LKA Longhorn in Stuttgart. Und ich mit der Kamera mittendrin. Link: Klick!
4.) …Trail of Dead – 2011 im Whelans in Dublin. Komplex-vertrackte Rockmonolithen. So schwarz wie das Guinness, das es dazu gab.
5.) Spiritual Beggars – 2000 beim Metal 2000 in Mannheim. Schade, dass sie ohne ihren Sänger Spice so unspektakulär geworden sind.
Vielen Dank an Daniel!