Teil 2: „Das hat mir unheimlich viel Mut gegeben.“- Vonni & Flirto über Wauz (Red Tape Parade)

226754_2042823956656_6206671_nDie Interviewreihe mit den Jungs von Red Tape Parade geht heute in die zweite Runde: Flirto (Gitarrist) & Vonni (Der Merchtyp für alle Fälle) gaben Auskunft über Sänger Wauz, der am 15. April den Kampf gegen den Krebs verloren hat. Es wurde darüber geredet, wie er zum ersten Mal in ihr Leben trat, über gemeinsame Erlebnisse und darüber, was sie von Wauz lernten. Über das Leben. Über die Musik. Vielen Dank, Flirto & Vonni!

Tattoos fanden immer den Weg auf seinen Körper: Welches Motiv war dein Favorit und bei welchem hast du die Hände über den Kopf zusammengeschlagen?

Vonni: Das ist leicht! Das liebste Motiv „Why must we stay where we don’t belong“, ein NOFX-Zitat von unser beider Lieblingsplatte dieser Band. Wauz & ich waren, oder sind, die größten NOFX-Fans bei Red Tape Parade.

Es gab ja so einige Krücken, die er hatte. Zum Beispiel sein Die Verurteilten-Tattoo auf dem Unterschenkel. Das muss man auch wissen, was das sein soll. Da erkannte man nichts! Ich fand es immer so super, dass er mit irgendetwas angefangen hatte und dann meinte, dass er mit etwas anderem weitermacht.

Oder Jack von Lost auf dem Unterarm. Das hatte er sich nach der ersten Staffel machen lassen. Er war riesiger Fan von der Serie. Ich bin ja echt kein Fan von dem Charakter der Figur. Deswegen ging das, meiner Meinung nach, gar nicht! Da hätte ich jeden anderen aus der Serie lieber genommen als Jack.

Flirto: Mein liebstes war der Yoda, den er auf seinen Arm hatte. Einfach nur, weil wir beide riesige Fans von Star Wars sind.

Und wenn, dann habe ich bei seinen Tattoos am Hals die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, einfach wegen der Stelle.

Von den Motiven her fand ich die Stephen King Spinne am schlechtesten, weil ich diese Tiere hasse!

Und was hast du über das Tattoo gedacht, welches Klaas ihm gestochen hat?

Flirto: Also ich würde mir das niemals machen lassen, aber ich bin ja auch nicht so zugehackt wie er es war. Ich fand es gut und ich weiß auch, dass es ihm nicht aufgeschwatzt wurde.

Was würdest du Wauz noch gerne sagen wollen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Flirto: Bei meinem letzten Besuch war ich zusammen mit unserem Gitarristen Manu und unserem Ex-Schlagzeuger Holger bei ihm. Wir haben uns drei Stunden intensiv über alles Mögliche unterhalten. Da habe ich erst wirklich gemerkt, wie sehr man sich doch kennt und was man schon alles zusammen durchgemacht hat.

Auf Tour ist es oft so, dass man wahnsinnig viel scheiße redet. Bei 5 bis 7 Typen in einem Van auch kein Wunder. So wirklich tiefsinnige Sachen kommen dabei einfach nicht raus. Man verarscht sich halt gegenseitig und solche Sachen.

Am Schluss bin ich  rausgegangen und dachte mir: „Okay. Wir haben uns jetzt in den letzten drei Stunden mehr unterhalten als auf vielen Touren.“ Also ernsthaft unterhalten. Nicht dass es jetzt an diesem Tag nur philosophische Gespräche waren- gar nicht. Es ging eher in die Richtung: Weißt du noch was da war? Es war viel offener als sonst.

Ihm würde ich sagen wollen: Warum war das nicht öfter so? Was jetzt nicht heißen soll, dass wir sonst nur oberflächliche Sachen gelabert haben. Es war größtenteils einfach, ohne es jetzt geschlechterspezifisch zu meinen, Boytalk.

Oder wir sind sehr oft in den Backstageraum gekommen und haben alle unsere Macbooks aufgeklappt. Das war es dann oft.

In einem Krankenzimmer checkst du nicht ständig deine Nachrichten auf dem Handy. Da hatte man automatisch mehr Anlass gehabt um zu reden und das tat total gut.

Vonni: Dass er mein Leben positiv verändert hat. So klischeehaft sich das jetzt wahrscheinlich anhört, aber er hat mir gezeigt, dass alles geht, wenn man nur will. Dass man die Punksache durchzieht, auch wenn man nicht mehr 18 Jahre alt ist. Das funktioniert halt auch noch gut, wenn man 30 ist.

Vonni & Wauz.
Vonni & Wauz.

Dass man als Punk mit einer positiven Einstellung durch die Welt gehen kann und trotzdem Sachen scheiße findet. Deswegen macht man das ja irgendwie: man fängt jetzt nicht an Punk und Hardcore zu hören, weil man so eine spitzen Laune hat und sich denkt, dass die Welt wunderschön ist. Nach dem Motto: Ich höre mir mal an, wie dieser Typ rumschreit. Passiert ja nicht.

Ich war an seinem Geburtstag hier und war auch noch länger bei ihm, als er schon auf der Palliativstation lag. Ich war einfach sehr schwer beeindruckt davon, wie er damit umgeht. Das hat mir unheimlich viel Mut gegeben.

Das hätte ich ihm gerne noch gesagt: dass er mir Mut gegeben hat, in dieser Welt weiter so zu leben, wie ich es möchte und er hat es sehr unterstrichen. Es wäre schön, wenn es diese Möglichkeit geben würde, ihm das noch mitzuteilen.

Was hast du von Wauz gelernt? Über das Leben. Über die Musik.

Flirto: Also das Leben verknüpfe ich jetzt leider Gottes mit dem Tod bei ihm, weil es ihn einfach so früh erwischt hat. Er hat mir die Hoffnung gegeben, dass wenn einem so etwas selbst passiert, dass man trotzdem irgendwie damit klarkommen kann.

Da ich in Regensburg wohne und er in Berlin lebte, haben wir uns außerhalb einer Tour nicht so oft gesehen. Wenn man solche Nachricht bekommt, dass man nur noch vier oder fünf Wochen zu leben hat, dann denkt man automatisch, dass man sich die Kugel gibt. Das will man einfach nicht miterleben. Aber er hat es bewusst miterlebt und hat uns den Umgang mit ihm sehr leicht gemacht. Er war nicht überspielend lustig, sondern er war wie er immer war, nur angepasst an die neue Situation.

Man hat das Gefühl gehabt, dass er irgendwie damit dealt.

Ich war sicherlich nicht in den dunkelsten Stunden da, die es 100%ig auch oft gab, aber er hatte es irgendwie geschafft, dass man das Gefühl hatte, dass er bis zuletzt damit umgeht. Er will nicht weglaufen, sondern er geht irgendwie damit um. Ich habe dadurch die Hoffnung –sollte mir das vielleicht auch mal passieren- dass es mir auch gelingt. Mein Vater ist vor fünf Jahren an Krebs gestorben und auch da hätte ich vorher nicht gedacht, dass ich mit dem Fakt umgehen kann, dass mein Vater so schwer krank ist. Aber als es dann soweit war habe ich die Kraft gefunden ihn wirklich bis zum Ende zu begleiten. Ich hoffe, dass man es bei sich selbst irgendwie schafft.

Das war jetzt über das Leben.

Über die Musik? Ich weiß nicht ob es lernen ist, aber er war der treueste Fan, den ein Autor, Filmemacher oder eine Band nur haben konnte. Er hat sehr viele Sachen verteidigt: Star Wars Episode I oder wenn man von einer Band sagt, dass die neue Platte nicht so super geworden ist:

„Doch, doch! Ihr hört nur nicht richtig hin!“ Er hat es wirklich immer versucht.

Wauz war auf jeden Fall immer zu 100% ein Fan, das hat er über sich selbst auch gesagt. So hat man gelernt, dass man sich Sachen auch ein zweites Mal anhört, bevor man sagt, dass es scheiße ist. Er hatte auch kein Problem auf der Autofahrt zu sagen: Ey, das ist die neue Platte von Angels & Airwaves! Wo jeder sagen würde, dass man sich den scheiß nicht anhören möchte. Da gibt es einen Song den er super fand und mir zeigte, den ich erst vor drei Tagen wieder hörte. Ohne Wauz hätte ich mir das wahrscheinlich nie angehört. Und ich finde den Song gut!

Vonni: Er wollte glaube ich oft, dass ich mehr open minded bin, was Bands angeht- ich ch bin da meistens sehr engstirnig. Da hat er mir definitiv einige Sachen geöffnet.

Musik muss vom Herzen kommen. Das habe ich von ihm unterstrichen bekommen. Gelernt würde ich nicht sagen.

Über das Leben. Sachen nicht einfach hinnehmen. Gegen negative Sachen ankämpfen und die positiven Sachen behalten.

Inwiefern bereicherte Wauz dein Leben?

Flirto: Hauptsächlich dadurch, dass wir in einer Band spielten. Ich bin ja erst nach 1 ½ Jahren zu Red Tape Parade gekommen, aber wir spielten schon die allererste Show zusammen.

Ich spielte da noch in meiner alten Band The Fine Print und  habe in meiner Heimatstadt Regensburg bei der ersten Tour von The Gaslight Anthem ein Konzert in der Alten Mälzerei organisiert. Oise meinte dann zu mir:“ Ey, wir brauchen jetzt auch unsere erste Show mit Red Tape Parade. Wir wären soweit und unser Demo ist fertig. Meinst du, dass wir dort mitspielen können?“

An dem Tag habe ich Wauz kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb verstanden, obwohl er in Schweinfurt aufgewachsen ist und ich in Regensburg. Man hatte eine ähnliche musikalische Vergangenheit. Man war teilweise auf demselben Konzert ohne sich zu kennen. Er war so der Typ, der mit Ü30 in eine neue Wohnung gezogen ist und als erstes ein Poster von NOFX aufgehängt hat, wo andere sagen würden, dass sie die vielleicht mit 15 mal gehört hätten. Aber ohne, dass er deswegen jetzt super kindisch gewesen wäre. Er hat eine große Leidenschaft für alles aufgebracht.

Seine Schwester sagte ja auch bei der Beerdigung, dass er seine Sache wirklich immer zu 100% gemacht hatte. Bei mir ist es oft so, dass ich mich nicht immer traue manche Dinge so „extrem“ zu machen, weil ich denke, dass ich anderen Menschen dadurch vor den Kopf stoße. Er hat mir leider durch sein so frühes Ende den Impuls gegeben, dass man manche Sachen einfach machen muss. Das war jetzt keine sehr definierte Antwort.

Bereichert natürlich auch durch seinen Humor. Und einfach dadurch, dass er war wie er war. Er war immer sehr still. Anfangs hat man ihn als schüchtern und zurückhaltend empfunden. Aber wenn man Wauz näher kennengelernt hat, dann kam der richtige Kommentar zur richtigen Zeit, der den Nagel auf den Kopf getroffen hat.

Dieses ganze tragische Ende passt in unsere kindische „Wir sitzen im Van und spielen Punk“ Mentalität so schlecht rein, dass es sich beißt. Es war immer spaß, spaß, spaß und plötzlich ist der Typ sterbenskrank. Ich habe vorhin mit den anderen geredet: heute vor genau einem Jahr waren wir in Freiburg und da haben wir uns von irgendeinem Mädchen mit dem Handy fotografieren lassen- alle oben ohne. Da haben wir unsere Astralkörper präsentiert. Solche Dinge schweißen zusammen.

Vonni: Er war einer der wenigen, mit dem ich über die Bands reden konnte, die ich wirklich gut finde. Da waren wir beide sehr speziell. Sonst ist das, glaube ich, in Deutschland generell recht schwierig über diese zu sprechen, weil es halt sehr viele obskure Poppunkbands aus den USA waren. Das hat mir auch oft so einen Arschtritt gegeben, doch weiterhin an diese DIY- Punksache zu glauben- außerhalb von Crust, Hardcore und Politpunk.

In den letzten Monaten, die er noch zu leben hatte, hat er mir auf jeden Fall den Mut gegeben, weiterhin meinen Weg zu gehen. Nie zurückzustecken. Immer an das zu glauben, was man ist, was man erreichen will. Das hat mich schwer beeinflusst.

Man hat das alles erst realisiert, als dann die Nachricht kam.

Ich spiele noch in einer anderen Band und Flirto ebenfalls. Und unsere Bands haben zusammen in München gespielt. Flirto wusste schon von dem Krebsbefund. Er erzählte es mir erst am nächsten Tag nach dem Konzert. Ab da denkt man erst darüber nach, wie schnell einem dieser Mensch ans Herz gewachsen ist. Ich hatte aber nie den Gedanken, dass es so enden könnte. Ich hatte immer den Mut und war mir sicher, dass wir im nächsten Jahr wieder zusammen auf Tour gehen würden.

Aber wie Wauz da rangegangen ist- das hat mich positiv beeinflusst.

So hat sich auch mein Leben, auf einer gewissen Art und Weise, verändert.

Wann bist du Wauz zum ersten Mal begegnet und welchen Eindruck hinterließ er bei dir?

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Flirto & Wauz.

Flirto: Wie gesagt, dass war dieses Konzert mit The Gaslight Anthem, Red Tape Parade und meiner alten Band. Er kam damals schon separat mit dem Zug an und hatte so einen kleinen Trolli mit verschiedenen Bandshirts dabei, obwohl er nur für ein Konzert unterwegs war. Er war jemand, der schon sehr früh Bands entdeckte, die noch nicht so groß waren. Er hatte zum Beispiel schon ein Shirt von The Menzingers an, da kannte die fast noch niemand. Anfangs war er sehr scheu und zurückhaltend. Aber ich dachte mir, dass es ein Typ ist, mit dem ich gut klarkomme, da wir auf einer Wellenlänge waren.

Vonni: Da muss ich kurz überlegen. Wauz habe ich zum ersten Mal bei einem Konzert von Off With Their Heads in Regensburg getroffen, welches in einem Proberaum stattfand. Organisiert wurde das von Flirto. Wir sind aus München hingefahren und wo ich Wauz dann sah, dachte ich: „Oah, der Typ da hat eine ganz schön geile The Loved Ones- Jacke an!“ Schon auf dem Parkplatz ist mir ein Auto mit Aufklebern von Star Wars und NOFX aufgefallen- das muss schon ein cooler Typ sein. Irgendwann meinte Flirto so zu mir, dass das Wauz ist, der Sänger von Red Tape Parade.

Red Tape Parade hatte ich vorher auch mal gesehen. Den Oise kannte ich bereits sehr lange und Flirto kenne ich am längsten- mit ihm hatte ich meine erste Punkrockband gehabt. So richtig zu Red Tape Parade bin ich gekommen, als Flirto mit in der Band war.

Und als er mir Wauz vorstellte, war eine gewisse Grundsympathie vorhanden. Wir fanden zum Beispiel dieselben Sachen witzig. Hatten beide immer obskure Shirts von Poppunkbands an oder 90er Jahre Skatepunkklamotten, wo auch keiner mehr wirklich weiß, was das heutzutage ist. SNFU ist zum Beispiel eine Band, die nicht mehr so bekannt ist. Das war ein gemeinsamer Nenner.

Das erste Mal richtig unterhalten habe ich mich mit Wauz bei einem Konzert von Germs und Hammerhead im Feierwerk München, wo ich arbeitete. Da haben wir ein richtig langes Gespräch geführt. Zum Abschied haben wir uns umarmt und da war mir klar: das ist ein Mensch, der dieselben Sachen toll findet und mit dem man direkt auf einer Wellenlänge lag.

Eine Songzeile, die gerade dein Innerstes widerspiegelt?

Vonni: „Time was wasted. We’re moving way to slow. Let’s go cause we’re not getting any younger.” Von Dillinger Four.

Man muss halt alles mitnehmen was geht. Es kann wirklich sofort vorbei sein.

Wir waren heute exakt vor einem Jahr in Freiburg, lagen am See und haben Pommes gegessen. Da war heile Welt. Das war einer der besten Tourtage, die ich mit dieser Band hatte.

Deswegen hatte ich diese Textzeile heute schon sehr oft im Kopf gehabt.

Flirto: Also was er tätowiert hatte, war die Zeile von Lagwagon „Today’s mantra is gratitude“, weil es einfach so stimmt. Ich hatte ja schon erzählt, dass mein Vater vor fünf Jahren gestorben ist und seitdem setze ich Sachen in eine ganz andere Perspektive, was mich manchmal mit anderen Leuten in Stress bringt, weil ich viele Dinge sehr gelassen sehe. Man kann nicht immer denken, dass man todkrank sein könnte. Aber man bekommt einfach eine andere Perspektive dadurch.

Deswegen sollte man wirklich dankbar sein, denn so viel haben wir zum Glück meistens nicht zu meckern. Heute ist ein trauriger Anlass, warum wir hier sind, aber das beiseite genommen sollte man sich darauf konzentrieren, was gut läuft. Das wäre eine Zeile.

Ansonsten ist es der ruhige Zwischenteil bei (Always stubborn, sometimes hateful): „And even if it’s just one of my favorite songs,it’s enough to guide me home” Wir stellen auch Sachen hinten an, wie Job oder Studium. Ich war auch seit längerem nicht mehr im Urlaub, weil die Touren immer die freie Zeit gefressen haben, die man für so was hätte. Musik ist einfach so wichtig.

Die beiden Zeilen treffen den heutigen Tag ganz gut.

An welche gemeinsamen Erlebnisse mit Wauz erinnerst du dich gerne zurück?

Flirto: Ich muss ganz allgemein jede Show und jede Tour nennen. Und auch wenn man es selten ausgesprochen hat: Wir sind wirklich weiter mit der Band gekommen, als wir es je gdacht hätten. Das hat sich bestimmt jeder von uns schon als Teenager gewünscht. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, dass ich mal mit Pennywise auf Tour gehen würde. Oder mit den Bouncing Souls oder Lagwagon. Die habe ich alle persönlich kennengelernt. Von der einen Band war der eine mehr Fan und von der anderen Band der andere. Das waren Erlebnisse, die arg zusammenschweißen. Und das hat auch Wauz, wo er krank war, gesagt, wie viel ihm diese Jahre mit der Band bedeuten.

Mein erstes vier Augen Gespräch war damals, als ich zum ersten Mal für meinen Vorgänger eingesprungen bin. Das vorletzte Konzert dieser Minitourwar sehr trist, weil sich niemand für uns interessiert hat. Wir waren danach noch in einer Bar und wir wollten beide noch nicht schlafen gehen. Wir waren zu diesem Zeitpunkt entweder unglücklich verliebt oder Single, und wollten es nicht länger sein. Wir hatten uns ein Big Pack Pall Mall Zigaretten gekauft, die restlichen Biere genommen und uns ins Treppenhaus gesetzt, wo wir uns noch ewig über die Damenwelt unterhalten haben. Beim nächsten Mal haben wir gesagt: Gott, diese Zigaretten- wir sind echt schon zu alt dafür! Er hatte da kaum noch geraucht, ich habe erst vor gar nicht ganz so langer Zeit endgültig damit aufgehört.

Das Big Pack Pall Mall war das, was uns verbunden hat. Klingt jetzt trauriger als es ist!

Das ist so ein Moment wo ich weiß, dass das nur wir beide waren.

Ansonsten auch eine Sache, die ich zu schätzen wusste: Da war ich das erste Mal mit der Band im Studio. Ich bin kein „Übermusiker“ und da hatte ich ganz am Anfang ein paar Probleme und meinte zu Manu, dass er das einfach spielen soll. Er hatte nur darauf gewartet, dass ich ihm das Zeichen gebe, damit er es sauber einspielen kann. Wauz und ich sind dann zum Lidl gefahren und dann fragte er mich plötzlich: Stört dich das jetzt, dass es nicht so funktioniert? Er war einfühlsam und hat sich mehrmals bei mir erkundigt, weil ich neu in der Band war. Das fällt mir jetzt so spontan ein.

Vonni: Da gibt es ganz viele! Standing Ovations im fahrenden Van nach den ersten Filmen oder Filmszenen.

Ich war einmal schon in diesem Club mit der Anna. Das ist meine Freundin und auch eine Freundin von Wauz. Wir waren an diesem Abend zu dritt unterwegs. Das war eins der wenigen Male, wo Wauz und ich gemeinsam Alkohol konsumiert haben. Das war einer der witzigsten Weggehabende, die ich in meinem ganzen Leben hatte- ohne Übertreibung! Da erinnere ich mich sehr gerne daran zurück.

Nach dem Verlust von Wauz: Führst du dein Leben jetzt anders? Intensiver?

Flirto: Ich versuche es, habe aber wie schon erwähnt seit dem Tod meines Vaters schon eine Weile eine andere Sichtweise! Im Angesicht dieser Tragik ist es eine völlige Banalität, aber ich habe mich jetzt seit Januar endlich an mein Staatsexamen auf Lehramt gewagt. Während Wauz in dieser Zeit mit diesem scheiß gekämpft hat, musste ich mich mit vergleichbar banalen Sachen rumschlagen, wie zum Beispiel irgendetwas auswendig zu lernen. Ich dachte mir aber gleichzeitig immer: Ich will nicht meckern, weil es im Vergleich ein Kinderspiel ist aufzuwachen und sich zu zwingen so etwas zu tun. Ich habe es mir ja schließlich vor ein paar Jahren ausgesucht. Einfach nicht rummeckern, sondern es einfach zu machen. Jammer nicht rum, denn es gibt wesentlich schlimmeres! Ich bin ja schon etwas zu alt für das Studium und es gibt dort Leue, die teilweise jünger sind als ich und noch keine Vergleiche haben. Die denken, dass ist das schlimmste der Welt was sie durchmachen. Es muss ja noch nicht mal das Examen sein. Irgendwelche Kleinigkeiten und dann wird rumgeweint. Man kann nicht alles relativieren und ständig denken, dass man auch todkrank sein könnte. Man muss versuchen, dass man irgendwelche Sachen nicht weiter aufschiebt. Die Erkenntnis bringt der Tod immer. Man sollte auch etwas gelassener sein, wenn mal etwas schief geht.

Vonni: Ich habe an Weihnachten aufgehört zu rauchen, wo Wauz unbewusst bestimmt eine Rolle gespielt hat. Ich muss sagen: seitdem ich Wauz kenne, habe ich generell mein Leben schon anders gelebt. „Dann habe ich halt 100 Euro Schulden, aber ich habe es mitgenommen.“

Wenn ich Sachen machen will, dann mache ich die auch. Wenn es Kleinigkeiten sind oder dass ich in diesem Jahr wieder nach Gainesville zum Festival fliege- ist doch egal! Da hat er mein Leben verändert, nachhaltig.

Welche drei Wörter und/oder Sätze benutzte Wauz am häufigsten?

Flirto: Da würden mir wahrscheinlich bei jedem anderen Bandmitglied auf Anhieb einige Sachen einfallen. Das ist nicht auf den Wauz beschränkt, aber das kam auch häufiger aus seiner Ecke: „Stark!“

Oder wenn mal eine Murphys Law- Situation eingetreten ist, etwas, was nicht unbedingt sein musste: „Ah nee!“ mit einem besonderen Tonfall. Das habe ich öfters im Kopf.

Um mir jetzt nicht noch irgendwas aus den Fingern saugen zu müssen, muss ich passen!

Die Probe zu diesem Konzert: Wie war das für euch? Zu wissen, dass man sich für diesen Anlass trifft, um zu proben?

Flirto: Es ist natürlich ziemlich schwer.

Im August hatten wir unser letztes Konzert und wir haben in den letzten Jahren meistens zu dritt in geprobt: Hannes, Ich und Manu. Oise meinte immer: Wenn ihr das könnt, dann passt das schon! Wauz war bei solchen Sachen eh nie dabei.

Das heißt, dass es sich eigentlich wie immer anfühlte. Wir haben uns in Regensburg im Proberaum getroffen, haben die Songs runtergespielt und es war dieses Gefühl da, dass wir uns normalerweise morgen in den Van setzen und hätten jetzt zehn super Tage. Aber nach der Probe sind wir alle wieder Heim gefahren und uns war klar, dass er bei dem Konzert nicht dabei sein wird.

Es ist wohl für jeden so, dass ein Kapitel zu Ende geht. Wir haben gemeinsam so viele Leute kennengelernt, die auch schon bei der Trauerfeier dabei waren, bei der heutigen Urnenbeisetzung und auch zum Konzert kommen werden. Da wir uns ja nicht so oft gesehen haben, hat jeder sein Leben neben der Band gehabt. Aber sobald man wieder zusammen im Van war, lag man erneut auf einer Wellenlänge, haben die Leute wiedergetroffen und alte Gags ausgepackt. Das wird mir enorm fehlen.

Das war bei der Probe auch so, dass man dachte, dass man diesen Song zum letzten Mal spielen wird. Aber andererseits dachte man sich, dass Wauz es so gewollt hätte. Er hatte einen leichten Drang zum Drama, zur großen Geste gehabt, im positiven Sinne.

Das machen wir heute auch alles gut, wenn es so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Wir sind froh, dass Nathan Gray dabei sein kann. Von ihm war er großer Fan- sind wir alle. Wir werden auch ein Video von Joey Cape haben, der ein akustisches Cover eingespielt hat. Er konnte leider selber nicht als Sänger dabei sein, weil er vor einer Woche wieder nach Hause musste. Das war auch im Gespräch. Ich glaube, dass alle seit seiner Trauerfeier das Möglichste tun, um ihn so gerecht wie möglich zu werden. Die Balance  zwischen Trauer und Spaß wird immer wieder gehalten. Es holt einen immer wieder so ein Schauer ein, dass der Anlass einfach mehr als beschissen ist, aber es ist jetzt einfach so. Wir arbeiten wirklich hart daran, um das Beste daraus zu machen. Wir haben auch noch nie so viel für ein Konzert geprobt wie für heute.

Das vorherrschende Gefühl ist Trauer, weil er einfach nicht mehr da ist. Er war ja immer beim Soundcheck der Letzte, denn er musste ja nicht viel machen. Und so denkt man ständig, dass er jeder Zeit wieder auftaucht. Wie immer. Aber das wird nicht mehr passieren.

Welche Ticks besaß er?

Flirto: Er hatte immer so ein Mundspray gehabt, aber das hat er wohl immer wegen seiner Stimme gemacht.

Als ich in die Band kam, hat er nach den Auftritten nicht mehr gesprochen. Natürlich hatte er furchtbare Angst davor seine Stimme zu verlieren. Was auch manchmal passiert ist. Es war ja schließlich sein Instrument. Wenn das weg ist, ist es weg.


Vonni: Oh! Der Wauz war sehr eigen. Immer! Er hat wirklich nur das gemacht, worauf er bock hatte.

Wenn er jetzt gesagt hat: „Die Band ist gut!“ – dann ist die Band gut! Daran gab es auch nichts zu rütteln. Wir haben uns total in die Haare bekommen wegen Screeching Weasel! Das ging schon fast ins Beleidigende über. „Das kann doch wohl nicht dein ernst sein!“ Es gab ja mal diesen Screeching Weasel- Vorfall- und ich bin ja noch immer der Meinung, dass man die Band nicht mehr hören kann. Aber auf einer gewissen Art und Weise ist das schon ganz cool, wenn da trotz allem einer sagt, dass er weiterhin hinter der Band steht. Das war definitiv ein Tick von ihm. Ein sehr sympathischer  aber auch!

Wauz war ein Einzelgänger, würde ich sagen. Es hat sehr lange gedauert, eh er Leute an sich rangelassen hat. So kam es mir immer vor.

Er hat nach Konzerten nie mit einen geredet, weil er seine Stimme schonen musste.

Er trank auf Tour nie Alkohol. Wobei: es wurde ja immer gesagt, dass das alles nicht stimmt, auch von Wauz. Aber ich kann mich daran erinnern, dass er auf früheren Konzerten sehr betrunken war, als er auf der Bühne stand. Da hatte er sich immer mal Punker gesucht, auf denen er geritten ist. Er ist Huckepack auf einen Punker gehüpft  und hat so auch mal einen Song gesungen.

Und er ist mal von der Bühne gefallen! „Leute können vieles- ich kann vergessen!“ war dazu die Ansage.

Als ich Wauz im letzten Jahr im Interview hatte, stritt er es ab!

Vonni: Jaja! „Das werde ich ja wohl besser wissen!“ Ich war nicht mal bei diesem Konzert dabei. Die Erzählung kenne ich nur von Oise und dem glaube ich alles! Also er schmückt manche Sachen gerne aus…

Aber es waren alles liebenswerte Ticks. Es gab tatsächlich nie etwas an Wauz, was mich störte. Er stand immer zu dem, was er sagte. Er war halt auch ein Franke, das hat man schon gemerkt.

Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass die Musik eine tragende Rolle in deinem Leben spielt?

Vonni: Ich war 1994 zusammen mit meiner Schwester auf meinem ersten Punkkonzert, da war ich 13. NOFX mit Lagwagon. Ich war sehr beeindruckt und dachte: Boah! Wie komisch die Leute tanzen. Die rempeln alle nur rum, was irgendwie krass, aber auch geil ist. 

Aber so richtig? Man hat sich ja immer diese Thanks-Listen durchgelesen, die sich im Booklet der CDs befanden und schaute, welche Bands dort noch so stehen. Dann ist man zu Müller gegangen und hat geguckt, was die von diesen Bands alles hatten. Man hat sich das alles angehört und so hat sich das ständig weiterentwickelt.

Man hat sich Bandfotos angesehen, um die Klamotten näher zu betrachten, die sie trugen. „Cool! Dann schneide ich mir jetzt auch die Ärmel von einem Shirt ab.“

Die ganze Faszination ging nie verloren und das wurde irgendwann zur Herzenssache.

Dass das wirklich mein Leben bestimmt hat… Da werde ich ungefähr 15 Jahre alt gewesen sein. Da bin ich auch alleine mit dem Zug nach München zu Konzerten gefahren. Danach hing ich auf dem Bahnhof rum, um auf den ersten Zug Richtung Regensburg zu warten.

Es ging seitdem einfach nicht mehr weg. Es wurde immer mehr, bis man sagte: Lass doch mal eine Band gründen! Ein eigenes Konzert veranstalten. Selbst Musik machen.

Flirto: Ich habe schon immer gerne Songs gehört. Mein Papa hatte so eine Jukebox, wo ich als kleines Kind schon Geld reingeworfen habe.

Wenn man David Hasselhoff mal wegnimmt, dann war ich als erstes richtig großer Fan von AC/DC. Dann kam Kram wie Metallica und Guns N’Roses. Dazwischen lagen Bands wie Slime und Die Toten Hosen. Dann habe ich mir letztgenannte Band im Neumarkt angeschaut. Das müsste im Frühjahr 1994 gewesen sein. Da spielten Green Day im Vorprogramm. Ich dachte erst, dass es eine Öko-Band wäre, allein vom Namen her. Da hatten sie auch noch diesen Atompilz als Logo. Im Vorfeld dachte ich schon, dass diese Band bestimmt scheiße ist. Aber als die dann auf der Bühne standen, war es rotzig und melodisch zugleich, dass ich dachte: Gott, sind die gut! Für kurze Zeit war es meine Band, denn die kannte zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Ich bestellte mir dann die Alben, die man nicht im Geschäft kaufen konnte. Ich war dann aber irgendwann sehr enttäuscht, als die „Tussis“ aus meiner Klasse mich fragten, ob sie sich die CD mal auf Kassette überspielen könnten. „Nein. Das ist eigentlich eher so mein Ding!“ Das hatte so zu mir gesprochen, da es diese typischen Teenagertexte über das Erwachsen werden und Liebeskummer waren. Im Gegensatz zum Fantum für AC/DC und solche Sachen, haben mich bei Green Day damals die Texte wirklich berührt und waren wichtig für mich. Auch auf einer musikalischen Ebene, die ich nachspielen kann.

Von da an habe ich den ganzen anderen Melodic Punk Kram entdeckt und auch immer wieder mal in Bands gespielt. Das ist jetzt auch schon 17 oder 18 Jahre her. Freunde von mir sind bereits mit Anfang 20 viel rumgekommen durch diverse Touren. Bei uns hat es erst mit Ende 20/Anfang 30 geklappt.

Wahrscheinlich war es tatsächlich das Konzert von den Toten Hosen und Green Day, was mich zum Nerd in Sachen Punkrock machte.

Aber…David Hasselhoff?

Flirto: Ich war 9! Das war meine erste wirklich gekaufte CD: Das Album „Looking for freedom“.Ich meine, er hat immerhin die Berliner Mauer eingerissen!

Mist, du hast Recht. Da war ja was! Dann ist das natürlich entschuldigt!

Flirto: Das hat schon eine politische Dimension! Aber um die Frage zu beantworten: Ja, David Hasselhoff!

Erzähl doch mal etwas über die allererste und die letzte Show von Red Tape Parade- an was kannst du dich erinnern

Flirto: Bei dem allerersten Konzert war ich, wie gesagt, noch nicht in der Band. Ich fand die aber super! Da fragte ich mich, warum ich nicht in der Band spielen kann. Oise ist ein Mann, der die Sachen anpackt. Bei der ersten Show waren Shirts und Demos da und die Songs haben nach etwas geklungen. Es hatte keinen Schülerbandtouch, man wusste einfach gleich, dass da etwas passiert.

Als ich dann zum ersten Mal gefragt wurde, ob ich bei Red Tape Parade jemanden auf der Bühne ersetzen möchte, meinte ich: Ja, ich schau, dass ich das hinbekomme. Natürlich hatte ich auch vorher mal gehofft, dass da irgendwann jemand aussteigt und ich dafür einspringen kann. Und dann hieß es irgendwann: Okay, mach doch einfach ganz mit! Es war eine gute Entscheidung. Ich hatte halt überlegt, ob ich wegen dem Studium so lange wegbleiben kann. Ich habe jetzt etwas länger gebraucht, weil ich mal ein Mittelexamen verschoben habe, aber es hat sich alles mehr als gelohnt.

Die letzte Show mit Wauz…das ist schwierig.

Das geht jetzt wieder bisschen am Thema vorbei, aber wenn eine Beziehung zu Ende geht, dann weißt du auch beim letzten Mal Sex nicht, dass es auch das letzte Mal ist.

Wir hatten diese vier Termine mit Boysetsfire. Oise war im Stress, weil der mit denen auf Tour war und da auch die Funktion als Tourmanager hatte. Wauz musste nach Berlin, der Manu musste auch in den bayerischen Wald. Das hieß, dass wir alles schnell eingepackt haben und uns von Boysetsfire verabschiedeten. Wauz fuhren wir zum Flughafen. Der Rest fuhr nach Regensburg. Da hat natürlich kein Mensch gedacht, dass es die letzte Show war.

Ich hätte nie gedacht, dass es so endet, ich hatte immer gedacht, dass ich eventuell irgendwann wegen Studium beziehungsweise Job aussteigen muss. Wegen der Band hatte ich das Examen einige Male verschoben und ich muss das jetzt machen. Dann kamen auch schon die ersten Angebote für das Frühjahr rein. Da dachte ich, dass sie mich für die und die Tour ersetzen müssen. Propagandhi und Bad Religion standen im Raum. „Nein, da kann ich nicht mitspielen!“

Die Shows sind letzten Endes alle nicht zustande gekommen, weil Wauz halt krank wurde.

Insofern ist die letzte Show, wenn man es nicht weiß, zu banal, als das man viel darüber sagen könnte.

Ich weiß noch, dass es an einem Donnerstag in Köln war und es lief ganz gut und es ging auch einiges an Merch weg. Aber es war jetzt keine besondere Show.

Anders als bei diesem Konzert heute: Wenn der letzte Song gespielt wurde, dann war es das. Wir werden nie wieder unter diesem Namen auf der Bühne stehen. Und Wauz ist jetzt schon nicht mehr dabei.

Senore Matze Rossi & Oise über Wauz: Klick!
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