
Nun sind wir angekommen: bei dem allerletzten Teil des Interviews über Wauz. „The final interview“, wie es Oise mal bezeichnete. Ich muss auch dazu sagen: es war nicht sehr leicht, sich diese fünf Interviews wieder und wieder anzuhören. Diese Erinnerungen mit Wauz, die die Jungs teilten. Teilweise mit solch einer Zerbrechlichkeit in der Stimme, dass mir das Herz blutete.
„I’ve got an ocean in my head. But my mouth is a desert and I cannot make it rain.“
In diesem Sinne halte ich mich kurz: Ich bedanke mich recht herzlich bei Oise, Vonni, Flirto, Mullah, Hannes & Senore Matze Rossi! Für eure Zeit, Offenheit und für die allerletzte Red Tape Parade-Show! Wauz hätte es..Nein, anders: Wauz hat es gefallen. Da bin ich mir sicher! Mullah (Gitarrist) und Hannes (Schlagzeug) darüber, was sie von Wauz alles lernten, über Tattoos, gemeinsame Erlebnisse und was sie ihm gerne noch sagen möchten, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten:
Welche Songzeile spiegelt gerade dein Innerstes wieder?
Mullah: Es ist eine Zeile von Red Tape Parade, weil ich diese in letzter Zeit sehr oft gelesen habe: „I’ve got an ocean in my head. But my mouth is a desert and I cannot make it rain.“ Es geht momentan viel in unseren Köpfen vor und man weiß nicht, wie man das jemanden erklären soll.
Mein Problem ist, dass ich ziemlich viel arbeite und ich mich damit ablenke. Aber du kannst keinem Menschen sagen, was du gerade denkst oder fühlst, weil du es einfach nicht schaffst es so zu erklären, wie du es gerade meinst.
Mit den anderen Jungs aus der Band ist es Gott sei Dank meist so: du musst nicht darüber reden. Man versteht sich auch so, ohne dass man es in Worte fassen muss.
Hannes: „I’ve got an ocean in my head. But my mouth is a desert and I cannot make it rain.” Das ist eine Zeile, die mich schon eine längere Zeit begleitet und immer wieder sehr gut auf mich zutrifft.
Wann bist du Wauz zum ersten Mal begegnet und welchen Eindruck hinterließ er bei dir?
Mullah: Wauz bin ich zum ersten Mal im Stattbahnhof Schweinfurt begegnet. Das war im Jahr 2000. Wenn du Oise bereits im Interview hattest, dann dürfte er die Geschichte schon erzählt haben: Wir haben da mit unserer alten Band gespielt. Wie das immer so ist schaut man sich teilweise die Soundchecks an. Plötzlich kamen da welche auf die Bühne, die fast alle Shirts von AFI trugen. Wir haben uns die ganze Zeit gedacht: Was sind das nun wieder für Vögel? Das war nicht böse gemeint, eher Scherzhaft.
Aber das war das erste Mal, dass ich den Wauz gesehen habe. Ich habe ihn dann aber schnell wieder vergessen, weil wir nichts weiter miteinander zu tun hatten.
2007 meinte Oise, dass Wauz zu uns in die Band kommt.
„Wauz? Kenne ich nicht!“
„Erinnerst du dich noch an den AFI-Typen von der einen Band?“
Da war mein Gedanke: Oh mein Gott- was wird jetzt auf uns zukommen?
Das war dann wirklich das erste Mal, dass ich etwas mit ihm zu tun hatte. Es ist aber eine schöne Erinnerung: sich erst über ihn lustig machen und danach feststellen, dass Wauz so ein guter Kerl ist. Das hätte ich damals im Stattbahnhof nie gedacht!
Das war wirklich super.
Hannes: Mit Anfang 17. Da habe ich nur gehört, dass der Sänger und der Gitarrist von Melangloomy aufgehört haben und nun auf der Suche nach einer neuen Band waren. Im Stattbahnhof in Schweinfurt hatte ich dann beide irgendwann erwischt und habe die belabert. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Und Wauz trug damals schon Lidstrich wegen dem AFI-Kontext, glaube ich.
Ich war sehr beeindruckt von ihm.
Die allererste und die letzte Red Tape Parade Show: an was kannst du dich noch erinnern?
Mullah: Die letzte Show war in Köln, im Rahmen der Tour mit Boysetsfire. Über diese Shows kann ich generell nicht viel sagen, da ich zu der Zeit gerade viel mit meinem Privatleben beschäftigt war und ich zwar physisch an den Shows teilgenommen habe, vom Kopf her aber die ganze Zeit mit anderen, persönlichen Dingen beschäftigt war. So ist auch die letzte Show mit Wauz mehr oder weniger wie ein Film an mir vorbeigerauscht, was rückwirkend nicht gerade wirklich eine schöne Erinnerung ist. Aber wer konnte schon ahnen, dass es kommt wie es jetzt gekommen ist.
Was hast du von Wauz gelernt? Über das Leben. Über die Musik.
Mullah: Über das Leben? In der gesamten Zeit, in der wir zusammen gespielt haben, habe ich nichts weiter von ihm gelernt. Wir hatten aber auch ehrlich gesagt imPrivatleben nicht wirklich was miteinander zu tun. In unserer Band lief das – zumindest was meine Verbindung zu den anderen Jungs angeht – so: Du steckst fünf Leute in einen Bus, die sich nur von einer, der schönen Seite, kennen. Das heißt, dass Wauz zum Großteil nichts über meine schlechten Zeiten mitbekam und umgekehrt. Ich bin der Überzeugung, dass man nur von Jemanden etwas lernen kann, wenn man diese Person in seiner Gesamtheit kennt.
Was ich aber von ihm gelernt habe, als er so krank war: Seinen Optimismus. Ich dachte mir ständig: Wie kann er eigentlich so optimistisch sein? Ich bin gerne mal der Pessimist. Ich bin der in der Band, der mal als erster sagt, dass es so nicht geht.
Ich hatte ehrlich gesagt sehr viel Angst, Wauz im Krankenhaus zu besuchen, weil ich mir im Vorfeld immer sagte: das geht nicht, du kannst da nicht hingehen!

Meinen Eltern habe ich das mit Wauz erzählt, das waren meine ersten Ansprechpartner. Ich musste mit jemanden darüber reden. Und auch da sagte ich, dass ich nicht zu Wauz kann, dass es einfach nicht geht, weil ich wieder dieser Pessimist war. In meinem Kopf war das fest verankert: was sage ich zur Begrüßung? „Hey wie geht’s?“ Und was sage ich zum Abschied? Ich kann doch nicht einfach sagen „Bis dann!“.
Was ich ja im Vorfeld nicht wusste: Wauz wurde durch die Chemotherapie kurzsichtig. Er trug eine ziemlich große Brille im Leopardenlook, die er von seinem Schwager hatte. Diese war viel zu groß für sein Gesicht und sah eigentlich, wenn es nicht so tragisch gewesen wäre, auch noch ulkig aus.
Wir machten also die Tür auf und da saß er nun in seinem Bett, mit der komischen Brille und lächelte uns entgegen. Komischerweise waren all meine Befürchtungen in dem Moment, zumindest zum Großteil, wie weggeblasen.
Wir sind erst am Mittwochabend, gegen 19 Uhr, bei ihm gewesen. Nach einer Stunde hatte ich das Gefühl, dass er oft etwas wegpennt. Sylvi war ja auch da und die zwei wollten bestimmt auch etwas Zeit miteinander verbringen. Deswegen meinte ich zum Wauz, dass wir jetzt gehen. Aber er sagte: „Nein, bleibt noch sitzen!“
Wir haben über so viele Sachen geredet, die man früher nicht mal angesprochen hat. Innerhalb der Band war es bei uns immer so, dass sich meist zwei zusammentaten – ich schaue in Oises Richtung – und einen anderen fertig machten. Natürlich alles auf der Spaßebene.
Aber dieses Mal saßen wir einfach da und redeten über die vergangenen Jahre, nicht in der Form des Abschiedes, sondern er war richtig gut drauf und dank seines Optimismus ging ich mit dem Gefühl aus dem Zimmer, dass er noch lange durchhalten wird. Zwar hatteman dennoch im Hinterkopf, dass er an der Krankheit sterben könnte, trotzdem dachte ich mir: „aber nicht jetzt“. Letztendlich war es leider zwei Wochen danach so weit.
Oder die Geschichte, so wie sie mir erzählt wurde: als er noch kurz vor seinem Tod die Krankenschwester tröstete, weil ihre Katze eingeschläfert werden musste. Er redete mit ihr und meinte, dass er das auch schon selber durchmachen musste. Die Krankenschwester meinte zu Wauz, dass er sich doch erst mal um sich selbst kümmern sollte und nicht um die anderen.
Ich bin zwar auch immer der Typ, der sich gerne um die anderen kümmert und dann erst um sich selber, dennochbin ich trotzdem – egal um was es geht – erstmal ein kompletter Pessimist. Aber nachdem was er mir in der kurzen Zeit meines Krankenhausbesuches vorgelebt hat, versuche ich seitdem viel mehr das zu genießen, was ich gerade mache. Einfach auch mehr den Optimismus, den Wauz bis zuletzt hatte, einzubringen.
Über die Musik habe ich von ihm wirklich nichts gelernt. Aber auch nur aus dem Grund, weil er im Vergleich zu mir ein Musikexperte war. Er kannte nun wirklich jede Band und sei sie noch so unbekannt, die sich für mich vom Namen her eher wie eine Hunderasse als eine Band anhörte. Er kannte jedes Bandmitglied und wusste, was die gemacht haben, während mich ohnehin meist nur eine schöne Melodie oder ein cooles Riff interessiert. Ich bin dann eher der, der ganze sieben Jahre lang nur Jimmy Eat World gehört hat und nichts anderes nebenbei! Ich habe jetzt genau vier Bands, die ich momentan höre und vielleicht kommt irgendwann eine neue dazu. Wauz hat eher den Poppunkmist gehört, den ich nie gehört habe. Da habe ich gelernt, dass ich das ganze Zeug trotzdem nicht hören möchte!
Er war der Liebhaber der alles in sich aufsaugte und ich derjenige, der bei seinen vier CDs blieb.
Hannes: Im musikalischen Bereich ist es schwer, weil wir uns sehr oft in den Haaren hatten. Er hatte einfach eine ganz andere Herangehensweise als ich. Wir haben auch nie wirklich rausfinden können, wo überhaupt das Problem liegt. Der Oise meinte mal zu mir: Du mit deinem Jazz-Kopf!
Wir hatten natürlich auch ein paar gemeinsame Lieblingsbands, zum Beispiel The Menzingers oder AFI. Musikalisch ist es einfach schwer zu sagen, was ich von Wauz gelernt habe.
Aber generell: Mach das, worauf du bock hast! Wenn du keinen Bock drauf hast, dann lass es bleiben!
Was würdest du Wauz noch gerne sagen wollen, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?
Mullah: Jetzt im Moment würde ich ihm gar nichts sagen wollen, außer dass er mir fehlt.
Das komische ist einfach, dass wir nie viel miteinander zu tun hatten, außer dass man zusammen in einem Van tourt. Im Privatleben hat man nicht sonderlich viel vom Anderen mitbekommen, außer dass er mit Nessi irgendwann nicht mehr zusammen war oder er mal mit seinem Beruf nicht ganz zufrieden war.
In der Zeit in der Wauz so krank war, habe ich mich irgendwann aufgerafft und ihm eine Mail geschrieben, in der stand, dass ich ihn gern hab. Das wollte ich ihm schon immer sagen und im Moment würde ich ihm nichts anderes mehr sagen wollen.
Für mich war es schön eine Antwort von ihm zu bekommen, in welcher er das gleiche schrieb.
Hannes: Das ist eine schwierige Frage. Ich habe darauf keine exakte Antwort, um ehrlich zu sein. Da gäbe es einfach so viele Dinge, die ich ihm noch gerne sagen würde, wenn ich es könnte.
Inwiefern bereicherte Wauz dein Leben?
Mullah: Ich konnte sehr viel mit ihm lachen. Man hat sich immer gegenseitig geneckt. Er stellte mich zum Beispiel immer als den Typen aus Bayern dar, der eh nichts mitbekommt. Oder man verbündete sich gemeinsam gegen Oise, aber am nächsten Tag hat er sich dann wieder auf seine Seite geschlagen. Er bereicherte mein Leben allein schon dadurch, dass es immer sehr witzig war.
Ich bin nicht der Mensch, der viele Freunde um sich haben muss- ich bezeichne auch nicht viele als Freund. Wauz war aber immer einer bei dem ich wusste, dass man mit ihm auch durch dick und dünn gehen kann.
Hannes: Mit Wauz spielte ich meine ersten Konzerte. Das Gefühl gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Gemeinsam etwas zu machen. Das war auch das erste Mal in meinem Leben, dass ich mit Freunden zusammen ein Ziel verfolgt habe. Gemeinsam etwas Großes und Längerfristiges aufzubauen.
Er war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für mich. Das kann ich guten Gewissens so sagen. Er war ein großartiger Freund.
An welche gemeinsamen Erlebnisse mit Wauz erinnerst du dich gerne zurück?
Mullah: Zum einen: Fernseh schauen im Van mit Mr. „Ich kenne jeden scheiß Film, habe die Leute teilweise interviewt, bin aber so starrsinnig und verbohrt“ Wauz!
Zum Beispiel der Film „Spaceballs“ von Mel Brooks, die Star Wars-Verarsche. Wirklich jeder findet diesen Film witzig! Jeder! Nur Wauz nicht, weil es gegen Star Wars, seine große Liebe, geht. Wir haben uns den Film in Van angesehen und jeder versucht Spaß zu haben und er hat alles zunichte gemacht!
Zum anderen: Zwei Mal war ich mit ihm bei einem Tätowierer. Wir ließen uns beim ersten Mal diesen Waschbären stechen, wo wir alle irgendwelche Stellen wählten, bei dem man es ein wenig sehen kann. Aber es schmerzmäßig so auszuhalten ist, dass man es eine halbe vor dem Auftritt runterreißen kann. Wauz hat sich den Waschbären aber direkt auf das Brustbein machen lassen. Ich glaube, dass ich selten innerlich so gelacht, aber auch gleichzeitig mit ihm gelitten habe. Der ist aus den Schmerzen nicht mehr rausgekommen! Das war halt so ein Waschbär aus einem Ü-Ei- mit einem USA-Shirt und einer Cola in der Hand. Da wusste ich, dass man mit ihm zusammen wirklich jeden scheiß machen kann.
Oder wir sind nachts durchgefahren nach München, weil Oise damals zu seiner Freundin musste. Wir haben dort einen Offday gehabt und verbrachten diesen in einem Park. Die anderen lagen herum und ich bin die ganze Zeit wie so ein Hund rumgelaufen, der nur darauf wartete, dass jemand einen Ball wirft. Ich höre jetzt noch immer den Wauz, wie er sagt: „Mensch Mullah!“, das war immer sein Auftakt dafür, wenn er etwas sagen wollte, damit ich mir dann am Ende blöd vorkomme.
Hannes: Es gab in Schweinfurt mal eine Party, die von irgendjemand geschmissen wurde, den niemand kannte. Dafür waren eigentlich nur um die 30 Leute angedacht, aber am Ende waren es um die 100 und haben den Laden auseinandergenommen. Wauz und ich haben in der Küche mit Kochlöffeln und Pfannen Star Wars nachgespielt.
Oder es gab da diesen einen Tourtag in Freiburg. Wir lagen tagsüber am See und haben es uns gutgehen lassen. Sind kurz geschwommen, haben Radler getrunken. Wauz und ich waren dann noch in der Stadt bummeln und haben gut gegessen. Das ist das Erlebnis, was mir am meisten im Bandkontext in den Sinn kommt.
Die letzte Probe vor diesem Konzert: wie erging es dir dabei?
Mullah: Die erste Probe war erst nicht so schlimm. Eher im Vorfeld die Tatsache, dass es durch den Tod von Wauz auch die Band nicht mehr gibt. Es war eher so, dass ich dachte: hey, wir spielen die alten Songs und ich sehe die anderen Jungs wieder. Man steht dann dort und probt. Ich muss aber auch dazu sagen: dadurch, dass Wauz ja nie mitgeprobt hat, hatte man auch nicht das Gefühl, dass jemand fehlt.
Schlimm wurde es dann nur für mich, als ich wusste, dass wir den Song „Leap Year Of Faith“ heute ganz am Schluß spielen werden- mit der Stimme von Wauz.
Gestern, als wir diesen Song zum ersten Mal probiert haben, hatten wir alle Kopfhörer auf und darüber kam seine Stimme. Wir mussten den auch mehrere Male spielen, so hörte man immer und immer wieder die Stimme von ihm und man suchte ihn dann teilweise auch im Raum. Ich habe Angst davor den Song heute zu spielen, weil ich bei der Probe schon geheult habe wie ein Schlosshund.
Heute war es auch so: man fragte, wie viele Mikroständer wir brauchen und dann sagt man: Nur zwei, weil der Wauz keinen braucht. Und plötzlich hat man wieder im Kopf, dass er ja nicht mehr da ist.
Das sind die Momente, in denen man viel stärker merkt, was eigentlich los ist.
Hannes: Ich bin erst seit Februar 2012 bei Red Tape Parade dabei und die Proben liefen meistens immer ohne Wauz ab. Man sah sich höchstens erst im Club oder am Tag davor im Bus.
Der intensivste Moment war als wir den Song „Leap Year Of Faith“, den wir heute als letztes spielen werden, probten. Uns ging es allen nicht gut dabei, als wir diesen zum ersten Mal ausprobierten. Den ersten Durchgang mussten wir auch abbrechen. Teilweise hat man sich gefragt wann Wauz endlich dazu kommt, allein schon aus Reflex. Ich habe mich einige Male selbst mit diesem Gedanken erwischt.
Gleichzeitig zu wissen, dass es die Probe für unser allerletztes Konzert ist, ist kein gutes Gefühl.
Ich weiß, dass ich heute Abend einige Momente haben werde, in denen ich am liebsten abbrechen möchte. Aber das ist für mich die einzig wahre Art und Weise mit diesem Teil der Band abschließen zu können.
Drei Wörter und/oder Sätze, die Wauz am häufigsten benutzte?
Mullah: „Mensch Mullah!“
Ich kann dir das jetzt nicht so beantworten. Hättest du mich jetzt während des Konzertes gefragt, dann hätte ich dir wahrscheinlich ein paar Sätze sagen können.
Ich formuliere deswegen die Frage für mich etwas um: Was war das schönste, was Wauz sagte?
Am schönsten war es, wenn er versuchte bayerisch zu reden! Denn das hat sich immer so scheiße und lustig zugleich angehört! Das hörte sich immer an als hätte irgendein Norddeutscher krampfhaft versucht sich einzugliedern. Er machte das immer, wenn er meinte, dass er mich jetzt besonders tadeln müsste oder wenn er mich nachäffen wollte.
Tattoos fanden immer den Weg auf seinen Körper: welches war dein liebstes Motiv und bei welchem hast du die Hände über den Kopf zusammengeschlagen?
Mullah: Ich glaube dass es etwas schwierig ist eine Tätowierung zu finden, die ich wirklich gut fand. Es war einfach alles sehr speziell!
Ich sag mal so: sich einen riesigen Fluxkompensator , farbig, auf den Hals tätowieren zu lassen, bei dem man erst überlegen musste, was das darstellen sollte. Das verdeutlicht eigentlich wie spontan er sich etwas machen ließ und welche verschiedene Geschmäcker er auf seinen Körper vereinte.
Er hatte da etwas auf der Wade, was irgendwann mal fertig gemacht werden sollte. Keinen blassen Schimmer was das war. Letztens hatten wir uns noch darüber unterhalten, aber ich habe es wohl wieder verdrängt.
Seitdem ich Wauz kenne ist er damit rumgelaufen und er meinte immer, dass er es irgendwann beenden lassen wird. Wo ich aber immer dachte: Ich glaube nicht, dass das dann besser aussehen wird!
Was ich bei ihm aber gut fand, war Jack von Lost auf dem Unterarm. Wenn es einen gibt, der das mit Stolz & Würde trägt, dann Wauz! Er liebte diese Serie!
Aber jetzt sag ich mal bewusst „der Arsch“, das darfst du dann auch fett abdrucken: Als wir mit der Band unterwegs waren und noch Lost lief, hat Wauz sich die neuen Folgen per Stream angesehen. Er hat die immer erst allein geschaut. Das heißt, dass er neben dir lag, sich die Folge ansah und wirklich niemand durfte etwas sagen. Man durfte Wauz auch nicht stören, da ist er nämlich immer ausgeflippt, wenn man es versuchte. Das war dann schon ziemlich nervig.
Aber hätte er sich zum Beispiel die ganze Lost-Crew tätowieren lassen, dann hätte man es ihm auch abgekauft. Dann hätte ich gesagt: Super, was Besseres hättest du dir nicht machen lassen können!
Hannes: Es gab viele gute Motive! Zum Beispiel den Yoda auf dem Arm, E.T. am Hals und natürlich: der Fluxkompensator! Wahnsinnig gut!
Er hatte sich Jack von Lost tätowieren lassen. Da habe ich tatsächlich etwas die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Für ihn hat es wahrscheinlich einen Sinn ergeben, aber ich habe das einfach nicht verstanden.
Wann hast du gemerkt, dass die Musik eine tragende Rolle in deinem Leben spielt?
Mullah: Ich werde 33 Jahre alt und ich spiele seitdem ich 15 bin in Bands. Im gewissen Alter spielt man in einer Band mit, bei dem man sich aber noch nicht über die Auswirkung im Klaren war.
2001 haben wir mit Static 84 aufgehört, die Band die ich damals mit Oise hatte. Ich hatte eine Freundin, die meinte: Wenn du Kohle mit nach Hause bringst, dann ist das okay, wenn du länger weg bist. Wenn du keine Kohle mitbringst, dann bin ich dagegen! Wenn du dich immer vor deiner Freundin rechtfertigen musst, dann ist es schwierig Musik zu machen. Oise sagte irgendwann: Entscheid dich- willst du Musik spielen oder nicht?
Und wie es in Partnerschaften so ist- große Liebe und so- habe ich es mit der Musik komplett sein lassen.
Bis 2006! Ich habe also viele Jahre meiner Jugend damit verschwendet die Musik an die Seite zu schieben, weil ich dachte, dass ich das nicht mehr brauche.
Ich fing dann wieder an in einer Band zu spielen, die so in Richtung Jimmy Eat World ging. Mit dabei war ein Kumpel von mir, der aber durch seine Arbeit nicht viel Zeit hatte und so hat man sich manchmal zum Proben getroffen und hat einige Konzerte gespielt.
2007 fragte mich Oise, ob ich in einer Punkband spielen möchte. Aber eigentlich wollte ich kein Punk spielen, ich war durch damit. Aber Oise ließ nicht wirklich locker, sodass ich dann doch zusagte. In diesem Moment war mir nicht wirklich bewusst, was mir die Musik eigentlich bedeutet und dass ich sie doch brauche.
Ich bin Hundetrainer und bin gut und gerne bedient wenn ich abends auf der Couch sitze, die Hunde um mich herum sind und ich irgendetwas im Fernsehen schauen kann. Ich bin halt nicht der Typ, der ständig in die Disco, auf Konzerte oder sonst was geht.
Theoretisch könnte ich auch sagen, dass ich keine Musik mehr machen möchte, da ich nicht von daheim und den Tieren weg möchte. Hört sich zwar doof an, aber die Tiere haben einen sehr hohen Stellenwert bei mir.
Aber ich habe immer gemerkt, nachdem ich ein paar Tage auf Tour war, dass ich eine ganze Weile brauchte, eh ich mich zuhause wieder eingewöhnt hatte. Ich wusste dann nicht, was ich machen und mit mir anfangen sollte. Ich habe mich einerseits auf zuhause gefreut, aber andererseits bedeutet mir das Leben auf Tour, das Rumhängen mit den Jungs, mittlerweile sehr viel! Auch wenn man sechs Stunden in einem Van sitzt. Man kommt am Club an, macht Soundcheck, surft im Internet, spielt das Konzert und geht dann ins Bett. Einerseits ein langweiliges Dasein, aber auf der anderen Seite beeinflusst es das eigene Leben sehr stark.
Bei mir ist die Angst da, dass das alles jetzt etwas wegbricht, weil auch die Musik, das Touren, einen großen Stellenwert bei mir hat.
Bei der Beerdigung von Wauz sagte seine Schwester, dass man machen sollte, worauf man bock hat. Und im Nachhinein nervt es mich, dass ich fünf Jahre in den Sand gesetzt habe. Fünf Jahre, in denen ich keine Musik gemacht habe.
Mit der Zeit bei Red Tape Parade ist das erst so richtig rausgekommen, wie viel mir die Musik eigentlich bedeutet.
Hannes: Ich glaube, dass ich mit 12 Jahren angefangen habe Schlagzeug zu spielen. Ich musste dann immer zum Unterricht, hatte aber nie wirklich die Motivation um ständig zu üben.
Ende 16/Anfang 17 lernte ich Wauz kennen und zusammen mit Marc haben wir unsere erste Band gegründet.
Wir durften einige Male Boysetsfire supporten und da fing es für mich an, dass ich merkte, dass die Musik eine große Rolle in meinem Leben spielt und ich das auch gerne weiterhin machen möchte.
Ich bin sehr froh dass es dann wieder geklappt hat, dass ich mit Wauz zusammen Musik machen konnte.
Nach dem Verlust von Wauz: Lebst du dein Leben jetzt anders? Intensiver?
Mullah: Ich weiß nicht ob es intensiver ist. Ich komme aus einer selbstständigen Familie. Du lebst mehr oder weniger für die Arbeit. Einerseits ist das Selbstständige gut, weil ich auf Tour gehen kann wann ich will, muss aber sehen, dass ich die Woche davor oder danach umso mehr arbeite, dass ich das kompensieren kann. Also würde ich nicht sagen, dass es intensiver ist.
Ich versuche optimistischer zu sein und Dinge bewusster wahrzunehmen. Und, auch wenn sich das jetzt doof anhört, wegen Wauz versuche ich, dass ich mich im Park wenigstens für einen Moment ruhig hinsetzen und es vor allem genießen kann, anstatt nur ständig gestresst rumzulaufen.
Bei mir ist das prinzipiell so: Wenn ich mit irgendetwas nicht klarkomme, sei es ein Gedanke, eine Situation oder was weiß ich, dann muss ich einfach weggehen. Irgendetwas in mir lässt mich dann erst ruhig werden, wenn ich eine gewisse Distanz aufgebaut habe.
Heute auf der Beerdigung war es so, dass ich wusste: Auch wenn ich jetzt gerne fliehen möchte- ich kann es nicht. Du stehst da und man denkt sich, dass man jetzt gerade überall anders lieber wäre als hier, einfach weil mir die Situation Unbehagen bereitet hat. Man ist in einer Gefühlswelt gefangen und muss von dort weg. Ein bisschen erleichternd war es, dass kein Bild von Wauz vorne stand. Bei der Trauerfeier war es schlimm, weil dort eins zu sehen war und ich mich davon nicht losreißen konnte. Ich stand nur da und habe das Bild immer und immer wieder angestarrt. Ich bin zwar immer weiter weg Richtung Ausgang gegangen, musste mich aber ständig – fast zwanghaft – wieder umdrehen.
Heute war Gott sei Dank kein Bild da, sodass ich nichts hatte, an dem ich mich orientieren musste. Ich stand da, habe auf das Gras gestarrt und habe das erste Mal seit Langem festgestellt, dass einige Vögel sangen. Ich stand draußen in der Natur und hatte aus irgendeinem Grund nicht das Gefühl, weglaufen zu müssen. So hörte ich einfach nur zu. Ich gebe zu, dass es zwar nur einige Minuten dauerte, bis mich mein altes Leben wieder hatte, aber es geht eher darum, dass man gewisse Augenblicke mehr zu schätzen lernt.
Einfach versuchen, es auf das wesentliche zu reduzieren. Sich klar zu machen, dass man den Augenblick genießen kann. Man muss nicht rumlaufen und ständig irgendetwas machen.
Einfachnur für diesen Moment zu existieren. Zu sein.
Hannes: Ja, definitiv. Man überlegt sich jetzt zweimal was man tut. Zum Beispiel, ob man seinen Job noch behalten möchte oder sich etwas anderes sucht. Einfach nicht darauf zu hoffen, dass es vielleicht in einem Jahr von alleine besser wird. Mal das machen, was einen Spaß bringt.
Man entscheidet mehr nach dem Bauchgefühl und nicht nach dem Gefühl, welches einen erst nach fünf Minuten ereilt.
Welche Ticks besaß Wauz?
Mullah: Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass er auch so ein super hektischer Mensch wie ich war. Immer von links nach rechts. Er blieb drei Sekunden bei dir stehen, fragte dich irgendetwas, du hast ihm geantwortet, aber eigentlich war er im Kopf schon wieder ganz woanders, hatte sein Handy in der Hand und ging wieder. Aber als Tick kann man das jetzt nicht wirklich bezeichnen.
Hannes: Da gibt es eine schöne Sache dazu: Jedes Mal, wenn er seinen Schlafsack einpacken musste, hatte er es als Arbeit bezeichnet. Und während er das am frühen Morgen machte, hatte er immer leicht die Zunge zu einem Mundwinkel rausgestreckt. Das war eine Szene, die mir sehr oft ins Gedächtnis kommt.
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