Königsdisziplin: Interviews.

hundFinde ich zumindest. Konzertberichte? Reviews? Tourankündigungen? Klar: Ebenfalls ein wichtiger Bestandteil im (ich wollte gerade „Mukkergewerbe“ schreiben, passt dann aber doch nicht so ganz. Schade!) „Musikjournalismus“- ist aber doch eher zweitrangig! Interviews sind gar nicht so leicht, wie sich das manche vielleicht vorstellen. Kein Wunder: Sieht man doch als „Außenstehender“ nur das Endergebnis. Aber wisst ihr eigentlich, was an Arbeit dahinter steckt?

Es wäre ja nur zu schön, wenn es nur ein simples „Ach, ich denk mir mal innerhalb von fünf Minuten 10 Fragen aus- fertig!“ Die Realität sieht doch etwas anders aus. Gut, ich kann nur für mich sprechen, logisch. Aber ich verbrate schon sehr viel Zeit mit der Vorbereitung, die sich manchmal wie ein Kaugummi in die Länge zieht.

Die Vorbereitung für ein Interview ist wie das dringend benötigte Mise en Place für den Koch: Hat man etwas vergessen, steht man dumm da, wenn es ernst wird und quasi die Hütte brennt. Improvisation ist dann zwar das Zauberwort, aber der unnötige zusätzliche Stress verringert den Spaß im Minutentakt an der ganzen Sache.

Wenn es an die Fragen geht, dann tu ich mich tatsächlich schwer. Warum? Stellt euch vor, ihr habt ein Interview mit Chuck Ragan vor euch. Ein Mann, der schon unzählige Interviews gegeben hat. Genau da macht es KLICK: Man möchte nicht im Fragen-Einheitsbrei landen, weil es einen selbst langweilen würde- und dem Musiker gleich mit, Das macht die Sache dann natürlich schwieriger, weil man sich -zumindest in meinem Fall- über Tage und Wochen den Kopf regelrecht zerbricht. Man schreibt sich hin und wieder ein paar Ideen auf, die am Schluß entweder den Sprung schaffen oder eiskalt wieder vom Ideen-Blatt gestoßen werden. Wenn ich zum Beispiel nicht zu 90% mit den Fragen zufrieden bin- dann würde ich einen Interviewtermin absagen, wenn nicht noch etwas Zeit bleibt, um sich ein neues Konzept auszudenken.

Hat man die Vorbereitung irgendwann zufriedenstellend abgeschlossen, geht die Warterei los. Immer dabei eine Mischung aus: Vorfreude, Aufregung und manchmal auch das „Oh Gott, ich möchte es doch nicht machen!“- Gefühl. Man steht vor dem Club, schaut nervös auf die Uhr, man wird unsicher und macht sich Gedanken, die man sich eigentlich nicht machen sollte: „Hat derjenige einen guten Tag? Wird man sich für die angesetzten 20 Minuten verstehen oder wird man einen gemeinsamen grünen Zweig nicht erreichen können? Ich hätte andere Fragen wählen müssen, oder?“ Doch dann wird man plötzlich aus dem Gedankensumpf befreit- entweder, weil dich jemand abholt, um dich zum Musiker zu bringen oder weil die Zeit sagt: „Rein da- jetzt oder nie!“

Das wacklige Gefühl verschwindet dann aber recht schnell, wenn man den Musiker begrüßt und sich denkt: „Yeah, er scheint einen guten Tag zu haben! Strike!“

Hat man das Gespräch hinter sich, folgt der nächste Haufen Arbeit: Das Abtippen. Ein mühseliger Drahtseilakt. Denn wenn man die Arschkarte gezogen hat, dann hatte man während des Interviews eine Geräuschkulisse vom Feinsten! Sei es Musik, die lief oder laute Menschen, die man dann auf der entsprechenden Aufnahme mehr als den Musiker selbst hören kann. So kommt es auch vor, dass man sich viele Stellen bis zu 10x anhören muss, weil man irgendwas akustisch nicht versteht. Die reinste Folter sag ich euch! Man ertappt sich dabei, wie man sich ständig folgende Frage stellt: „Warum zur Hölle mach ich mir eigentlich die ganze Arbeit? Kann ich kein anderes Hobby haben?“

Nein. Denn: Man macht es dennoch gerne. Man hat zwar teilweise ordentlich Stress damit, aber irgendwie kann man auch nicht ohne, oder?

Und weil ich auch gerne Fragen beantworte, hab ich mir mal über vergangene Interviews nachgedacht.

Mein allererstes Interview hatte ich mit…

Thees Uhlmann! Ich weiß bis heute nicht, wie ich auf diesen Trichter kam. Es war plötzlich in meinem Kopf drin, obwohl ich bis dahin keine Erfahrungen in diesem Bereich hatte. Es war im November 2008, als Tomte durch die Gegend tourten. Ich fand ein Onlinemagazin, welches zusagte, als ich fragte, ob man es dort veröffentlichen könnte. Ruckzuck hatte ich auch schon einen Termin für das Interview bekommen. In Hannover sollte es stattfinden, im Capitol. Zusammen mit Nico (Torpedo Holiday) haben wir das tatsächlich durchgezogen. Ich: Nervös wie sonstwas! Nico habe ich cooler in Erinnerung. Irgendwie lief alles, aber ich war froh, als alles vorbei war. Achja, zum Schluß gab es auch noch Geschenke für King Uhlo: Eine kleine Flasche Wodka und -Trommelwirbel- eine Nasendusche, haha!

Fazit: Mein allererstes Interview war echt eine Herausforderung! Aber für die Chance bin ich heute noch sehr dankbar, denn dadurch bin ich bei der Schreiberei geblieben.

Das witzigste Interview hatte ich mit…

Herrenmagazin! Die Jungs fallen mir sofort spontan ein. Geführt wurde es im Hamburger Übel & Gefährlich, kurz vor dem Dachterrassenkonzert. 2010? 2011? Irgendwas in dem Dreh. Im Vorfeld dachte ich: „Ich hätte Bock auf ein Quatsch-Interview!“ So kam es dann auch. Es gab keine tiefgründigen Fragen, warum auch? Die Herren sind ja dafür bekannt, dass sie sehr viel Sinn für Humor besitzen. Bis auf Rasmus waren alle am Start und es war für mich eines der witzigsten Interviews gewesen.

Aber auch an Bad Drugs denke ich gerne zurück, weil ich die Fragen in kleinen Tütchen steckte, die mit Kaffee, Pfeffer, Kräutersalz usw. gefüllt waren. Wir führten das Interview in Berlin, mitten auf einem Gehweg. Kaum übergab ich Sven Peks das Täschchen mit den Tütchen, hielt sofort ein Typ mit dem Fahrrad an und fragte, wo wir denn die ganzen Drogen her hätten. Ein wunderbarer Moment war das gewesen!

Sehr aufgeregt war ich bei…

Dave Hause! Mein allererstes Interview in Englisch- und dann noch mit diesem Mann. Im letzten Jahr war er als Support bei der Tour von Gaslight Anthem dabei. Zwischendrin sollte er ein Solokonzert in Graz spielen. Abgemacht war, es dort zu führen. Nun gut. Eigentlich. Am Vortag war man in Wien, ich fuhr also am nächsten Tag extra zeitig los Richtung Graz, weil ich noch keine Angabe bekam, um welche Uhrzeit das gemacht werden soll. Man wollte mir Bescheid geben. Nachmittags kam ich in Graz an, nichts im Magen und auf der Suche nach dem Hotel. Der Weg war weiter als gedacht. Erschöpft im Hotelzimmer angekommen, das Hungergefühl nagte an mir. Da ich noch immer nichts wegen einer Uhrzeit hörte, ging ich los um mir etwas Essbares zu besorgen. Mir war alles egal, denn ich wollte nur das Magenknurren  zum Verstummen bringen. Am Ende bekam ich keine Ansage mehr und ging davon aus, dass Dave doch keine Zeit dafür hat. Abends dann zum Konzert. Danach stand ich im winzigen Club rum, als auf einmal Dave neben mir stand und fragte, warum das Interview denn nun nicht gemacht wurde. Ich versuchte Dave zu erklären, dass ich leider keine weiteren Informationen bekam. Er fragte, in welchen Städten ich noch dabei wäre und als ich auch Hamburg aufzählte, meinte er: Hamburg klingt gut- machen wir es da!

Mir fiel später ein: Mist, ich habe am besagten Tag  die Strecke Linz-Hamburg vor mir, mit dem Zug!

Im ICE nach Hamburg. Kurz vor Einfahrt in die Stadt eine Nachricht von Dave, ob das zu der Zeit klappen könnte. Am Ende musste ich ihm dann doch absagen, weil das alles viel zu knapp war. Stattdessen schaffte ich es immerhin zu Brian Fallon, der ein paar Songs bei Michelle Records zum Besten gab.

Dave fragte ich, wie es denn in St. Ingbert aussehen würde, am letzten Tourtag in Deutschland. Und was soll ich sagen: Da hat es tatsächlich funktioniert! Ein wahrer Gentleman, der mir schnell die Angst nehmen konnte.

Das emotionalste Interview hatte ich mit…

Joey Cape. Als ich bei dem Konzert in Dortmund war, fragte ich Oise (Tourmanager) nach der Show einfach, wie es denn mit einem Interview aussehen würde. Innerhalb von vier Minuten hatten wir was ausgemacht. Rekordverdächtig! Joey Cape, ebenfalls einer meiner Musikhelden. Ich fragte Joey vorher, ob es denn in Ordnung wäre, wenn ich auch etwas über Wauz & Tony Sly fragen würde. Er gab sein okay.

Am Vortag verbrachte ich viele Stunden in der Küche, um Glückskekse zu backen, in der ich einen Teil der Fragen versteckte- andere schrieb ich auf die Rückseite diverser Katzenbilder.

Im Molotow ging es auf die Suche nach Oise. „Mit wem hast du nochmal ein Interview?“ „Mit Joey.“ Es stellte sich heraus, dass dieser gerade in einem Waschsalon war, ein paar Straßen weiter. So zog ich erneut los um den besagten Salon zu suchen. Dort angekommen: Kein Mensch zu sehen. Bis jemand hinter mir mich ansprach: Joey. Es ging nach nebenan in ein kleines Restaurant. Er bestellte sich etwas und nebenbei zog er sich die Fragen heraus. Größtenteils erwischte er die über Wauz & Tony.

Eine Weile saß er mir gegenüber- mit Tränen in den Augen. Er sprach so liebevoll über Wauz & Tony, dass es bei mir nicht anders aussah.

Das sind die Momente, die man nie mehr vergessen wird.

Emotional ging es auch bei Red Tape Parade zu.

An dem Tag, an dem auch die Urnenbeisetzung von Wauz war, sollte das Interview stattfinden. Irgendwas in mir sträubte sich gewaltig dagegen. Aus der Band kannte ich zu diesem Zeitpunkt nur Oise und Wauz, somit fiel es mir schwer einzuschätzen, inwiefern Flirto, Mullah und Hannes bereit dazu waren, denn ich machte diesen Termin quasi nur mit Oise aus.

Am Vormittag ging es zum Friedhof.

Danach ging es zurück ins Hotelzimmer. Ich sah mir die vorbereiteten Pinnwände und Fragen an und dachte: Ich kann das nicht machen. Ich war tatsächlich kurz davor, die ganze Sache abzublasen. Dennoch fand ich mich beim BiNuu ein, wo gerade der Soundcheck lief. Es brach mir erneut das Herz, als ich davor stand und der Song „(Always Stubborn, Sometimes Hateful)“ aus dem Club schallte. Ich sah Wauz gedanklich vorne an der Ecke stehen, wo er mir damals mit einem breiten Grinsen zugewunken hatte. 

Geplant war, dass man es mit jedem Bandmitglied einzeln führt. Auch Vonni (Merch-Mann für alle Fälle)  war dabei, sodass ich 5 Interviews innerhalb von 2 1/2 oder 3 Stunden führte. Dazwischen immer nur wenige Minuten Verschnaufpause, bis schon der nächste zur Tür reinkam. Es war hart gewesen. Gleichzeitig aber auch schön zu hören, welche Erinnerungen sie an Wauz hatten und was sie von ihm lernten. Danke dafür nochmal!

Das schrecklichste Interview hatte ich mit…

…ich verrate jetzt keinen Namen. Aber es gab dieses schreckliche Interview! Damals in Bremen. Es ist unbeschreiblich, wenn du vor einer Band sitzt & die dir das Gefühl geben, dass du eine Stufe unter ihnen stehst. Dass du nur jemand bist, der lästige Fragen stellt und ihnen die Zeit raubst. Seit diesem Tag ist diese Band für mich auch unten durch. Das Interview wurde nie veröffentlicht. Es wurde kurzerhand vom Diktiergerät gelöscht.

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich mal ein Interview mit … mache:

Das Interview mit Chuck Ragan und Joe Ginsberg ist für mich noch immer so, als ob es nur in einem Traum stattgefunden hätte. Aufgeregt war ich sehr, weil ich nicht wusste, was sie von der Angelidee halten würden.

Geangelt wurde quasi direkt auf dem Dach von Skaters Palace. Zwei Vollblutmusiker, die keineswegs so erscheinen, als ob ihnen der musikalische Erfolg zum Kopf gestiegen wäre. Ganz im Gegenteil!

Es sind liebenswürdige Menschen, die wirklich für die Musik leben und dich das -auch ohne Worte- spüren lassen. Sie sind glücklich darüber, dass sie das machen können, was sie lieben und vergöttern. Sie freuen sich über jeden einzelnen Menschen, der ihre Musik zu schätzen weiß.

Ein eher spontanes Interview hatte ich mit…

The Drowning Men! Also, da traf das Wort Stress mehr als zu!

Die Band waren als Support von Chuck Ragan dabei und ich habe sie tatsächlich sehr schnell ins Herz geschlossen. Im Vorfeld wurde ich bereits gefragt, ob ich eines mit der Band machen möchte, was ich aber absagen musste wegen akuten Zeitmangels.

Aber dennoch lies mich der Gedanke nicht los. So schrieb ich der lieben Anka (Tourmanagerin), ob es eventuell doch noch möglich wäre. Aber klären wollten wir das dann in Stuttgart. Während einer ICE-Fahrt dachte ich darüber nach, was man machen könnte. Hinter mir saßen Mädels, die sich lautstark unterhielten. Eine von ihnen kaute Kaugummi und ließ die ständigen Kaugummiblasen mit einem lauten Knall platzen, was mich fast zur Weißglut trieb. Aber dann kam mir die Idee: Fragen in Luftballons verstecken, die die Jungs mit Dartpfeilen zerplatzen lassen mussten! Ha! Da hat mir das Mädel mit ihrem Kaugummi die passende Idee geliefert.

Stuttgart. Vor dem Konzert zu Anka und es sollte tatsächlich mit einem Interview klappen. Der Haken daran: Das wäre schon am nächsten Tag in Köln. Bäm.

Es fing im Kopf an zu rattern: Ich habe kaum Fragen. Wie soll ich das denn noch schaffen? Somit ging es recht zügig nach dem Konzert zurück zum Hotelzimmer. Ich saß fast vier Stunden dran (bis um 3 Uhr!), bis ich ein Konzept entwickelt hatte und die passenden Fragen dazu fand. Die Arbeit ging am nächsten Tag weiter.

In Köln angekommen, suchte ich nach Läden, in denen ich Dartpfeile und einen Oscar finden konnte. Das hieß: Mit der Reisetasche komplett durch die vollgestopfte Einkaufsstraße. Das war der erste Akt. Alles gefunden und weiter zum Club. Essen fiel flach, weil keine Zeit vorhanden war- und auch kein passender Laden. Im Club angekommen bereitete ich schon etwas vor. Schrieb die Fragen auf Zettel, faltete diese und stopfte sie in die Luftballons. Nebenher lief der Soundcheck von Chuck Ragan- was will man mehr?

Jess kam auch bald an, sodass wir die Luftballons aufblasen konnten. Was für eine Arbeit! Die normalen Luftballons waren ja kein Problem, dafür aber diese länglichen, an denen ich fast verzweifelte. Die Zeit drängte und im Eiltempo rauschte man im Keller hin und her, um alles zu positionieren.

Als wir gerade fertig geworden sind, kamen auch schon Gabe und James um die Ecke. Es ging also Schlag auf Schlag weiter. Das Diktiergerät zeigte dann auch über 40 Minuten an und dieses Gerät die ganze Zeit auch noch halten zu müssen, war dann auch noch solch eine Sache. Ich war ungelogen noch nie so fertig gewesen! Weder vor/dabei/danach. Aber die Jungs hatten ihren Spaß, wir auch. Also hatte sich der Aufwand doch mehr als gelohnt.

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