Ja, ich liebe The Gaslight Anthem. Das ist ein offenes Geheimnis! Im März 2013 verschlug es Jess & mich nach London. Ich glaube, dass das auch wieder eine Schnapsidee gewesen war. „London? 2 Abende? Klar, lass machen! Treffpunkt: King’s cross!“ Ich reiste (natürlich mit dem Zug, ne?) einen Tag früher an. Komisch fühlte es sich ja schon an, war ich vorher doch noch nie in London. Die erste Hürde folgte prompt: Wo zum Henker befindet sich jetzt mein Hotel? „Komm schon, Maps! Funktionier endlich!!!“ Was wären wir heute nur ohne internetfähige Mobiltelefone?
Aufgeschmissen selbstverständlich! Hotel gefunden, eingecheckt. Die nächste Hürde: Die engen Gänge meistern, denn ständig blieb meine Reisetasche an irgendeiner Ecke hängen. Man schaute nach jedem Aufprall kurz zurück, ob man ausversehen ein Stück Tapete mitgerissen hat. Wenn ja, dann hätte man einen kurzen Sprint hinlegen müssen, um nicht in Erklärungsnot zu geraten. Hinter mir lagen unzählige Stunden Zugfahrt, so war es weniger verwunderlich, dass ich mich für’s Erste auf’s Bett warf & mich zwei Stunden vom Fernsehprogramm berieseln ließ. Die Dunkelheit war schon über die Stadt reingebrochen, als ich meine müden Knochen dann doch noch zu einem kleinen Spaziergang durch die Seitenstraßen überreden konnte. Ich saugte jede Kleinigkeit auf. Jedes Detail. Nach einer Beerdigung fast vier Wochen zuvor brauchte ich diesen Tapetenwechsel dringend, um einfach auf andere Gedanken kommen zu können. An diesem Abend hatte es sogar ganz gut funktioniert.
Am nächsten Tag hieß es: Auschecken. Da Jess erst nachmittags am Bahnhof ankommen würde, brach ich zu einem Park auf. Welcher war das noch gleich gewesen? Ach, ich weiß: The Regent’s Park. Ein ordentlicher Fußmarsch mit schwerem Gepäck durch die Straßen Londons. Das Wetter spielte Gott sei Dank mit. Etwas kalt, aber immerhin kein Regen. Ab und an wühlte sich die Sonne durch die vorbeiziehenden Wolken.
Den Straßenlärm ließ man draußen & schlenderte wie viele andere einfach durch den Park. Beobachtete Hunde, Familien & freche Eichhörnchen. Während ich einen Zwischenstopp bei einer Bank einlegte, überlegte ich, ob ich meine Reisetasche nicht einfach dort lassen sollte. Dieses Ding ruinierte mir langsam aber sicher den Rücken & vor mir lag immerhin noch der Weg zurück zum Bahnhof. In meinem Alter sollte man wohl eher zum Rollkoffer umschwenken, oder?
Juhu! Jess kam an! Nun hieß es erneut: Wo ist das verdammte Hostel? Ein paar Fehlläufe später standen wir vor einem eher unscheinbaren Gebäude. Die Hausnummer stimmte, dennoch kam es uns ein wenig suspekt vor. Geklingelt wurde dennoch. Eingecheckt. Soweit sah noch alles „okay“ aus, also ging man davon aus, dass auch das Zimmer „okay“ sein wird. Ha! Wie man sich täuschen kann!
Ich glaube, dass wir im zweiten Stock untergebracht waren. Das Zimmer bestand aus einem Doppelstockbett (Was an sich ja nicht schlimm ist. ABER das Ding quietschte bei der kleinsten Bewegung. Soll heißen: Wenn sich einer von uns in der Nacht umdrehen würde, wären wir sofort beide wach gewesen. Außerdem war das Ding auch leicht unstabil. An Schlaf wäre nicht mal im Entferntesten zu denken gewesen. So entschieden wir uns, dass Jess im Bett pennt & ich die zweite Matratze nehme und mich einfach auf dem Boden ausbreite.), einem Kühlschrank (Soweit ich mich erinnern kann, hatte dieser schon Ansätze von Schimmel. Ich wollte in dieses Ding jedenfalls nichts reinstellen.), einem Waschbecken (War ganz okay.), einem größeren Schrank, einer Kommode, Klappstuhl & noch ein kleinerer Schrank. Was das Zimmer NICHT hatte- was uns auch erst später auffiel: Vorhänge. Es fehlten tatsächlich die verfickten Vorhänge! Da wir gut im Improvisieren sind, mussten kurzerhand die Schubladen der Kommode als Sichtschutz herhalten.
Die Heizung konnte man nicht regulieren. Sie lief Tag und Nacht. Dazu kommt, dass die Fenster undicht waren & es wie Hechtsuppe zog. Wir konnten uns nicht entscheiden, ob wir jetzt lachen oder weinen sollten. Ich war sogar kurz davor zu sagen, dass wir uns sofort etwas anderes suchen. Aber letztendlich blieben wir doch in der Bruchbude. Am nächsten Tag wollte ich die Dusche aufsuchen. Im zweiten Stock gab es eine Tür, wo sich die Toilette dahinter befand (über deren Zustand werde ich mich jetzt nicht äußern) & eine Tür, bei der sich die Dusche hätte befinden sollen. Die Tür war verschlossen, der Schlüssel passte nicht. Ich runter zur Rezeption, gefragt, ob man dafür einen anderen Schlüssel bräuchte oder was da Sache wäre. Die Dame meinte, dass sich die Dusche zwischen dem ersten und zweiten Stock befinden würde (Dachten wir am Vortag auch erst. Wir riskierten einen Blick rein. Es war mal eine Dusche gewesen. Es fehlte der Duschkopf, Schimmel & Dreck breitete sich in diesem Raum aus. & das nicht erst seit gestern.). Der Dame versuchte ich zu erklären -im leicht gereizten Tonfall-, dass das da nicht funktioniert. So kam sie mit, schaute sich das an und meinte, dass da wohl ein paar Jugendliche in der Nacht den Duschkopf hätten mitgehen lassen. Ja nee, ist klar. Ende vom Lied: In der dritten Etage gab es nur eine wirklich funktionierende Dusche. OHNE Vorhang & die Fenster waren undicht. Das war dann noch das Sahnehäubchen oben drauf gewesen.
Ansonsten waren wir froh, nicht mehr Zeit als nötig in dieser Baracke verbringen zu müssen. Wir fuhren in die überfüllte Stadt, um uns ein paar Sehenswürdigkeiten anzusehen, liefen viel umher. Und die Abende verbrachten wir dann im Troxy.
Am ersten Abend hatten wir leichte Probleme, den richtigen Weg dorthin zu finden. Irgendwann landeten wir im „Ghetto“ & es war teilweise schon recht gruselig. Manche Leute reagierten eher genervt auf Nachfragen, wo sich die und die Straße befinden würde. Wenn Blicke töten könnten… Wir irrten weiter, bis wir auf eine Dame trafen, die uns sofort den Weg erklärte. Puh. Glück gehabt!
Am ersten Abend sind wir deswegen auch erst nach Einlass am Club angekommen (und ich glaube, dass auch schon die Vorband Japandroids spielte). Die Jacken eben unten in der Geraderobe abgegeben. Was überraschte: Überall Teppich. Ein ganz anderes Gefühl, wenn man dann so vor der Bühne steht. Wir fanden uns auf der rechten Seite ein, Kameras wurden gesichtet. Japandroids. Mmh. Konnten mich leider nicht wirklich überzeugen. Schaute man sich im Publikum um, so fielen zwei Sachen auf: Es war noch massig Platz vorhanden & alle sahen irgendwie sehr schick aus, sodass man sich etwas fehl am Platz fühlte. Am zweiten Abend war die Stimmung bei der Vorband etwas besser & es brachte tatsächlich auch mehr Spaß, sich die zwei wildgewordenen Jungs auf der Bühne anzusehen.
Da die Konzerte jetzt schon fast ein Jahr her sind, ist es natürlich nicht verwunderlich, dass man sich nicht mehr wirklich an sämtliche Details erinnern kann. Es waren gute Konzerte von The Gaslight Anthem, aber jetzt auch nicht die allerbesten, die ich von dieser Band sehen durfte. Dennoch strahlte man über das ganze Gesicht, freute sich über die prall gefüllte Songpalette & hatte fünf gutgelaunte Typen vor sich auf der Bühne stehen. Die Stimmung im Publikum war okay, aber nicht überschäumend. Dennoch hat sich wirklich jeder gefahrene Kilometer dafür gelohnt & ich würde es wirklich immer wieder machen, wenn das nötige Kleingeld & die Zeit es zulässt.
Irgendwann später im Jahr bekam man mit, dass es doch tatsächlich eine DVD von den Abenden in London geben sollte. Eine gewisse Vorfreude machte sich breit, die aber sehr schnell einen Dämpfer erfuhr:
„Was? Es sind auf dieser DVD nur 10 (!!!!!!!!!!) Songs enthalten? Soll das ein schlechter Scherz sein?“
Für mich ein bitterer Beigeschmack, wenn ich ehrlich sein soll. Warum hat man dann an zwei Abenden mitgefilmt? Warum dieser Aufwand? Waren die anderen Songs zu „schlecht“, um ebenfalls einen Sprung auf die DVD zu schaffen? Was zum Teufel soll das? & ich kann es da auch vollkommen nachvollziehen, dass es auch anderen Leuten ein Rätsel ist. Somit findet man zahlreiche Äußerungen bei Facebook. Kleinen Auszug gefällig?
„I was there on the first night and it was fantastic but seriously, 10 songs? WTF?“
„Just 10 Songs? C’mon … Your shows are longer than this …“
„Love GA but like many have said, ten songs on DVD is disappointing. Many fans will chose not to buy it.“
„I’m probably think Gaslight are fulfilling some part of their contractual agreement with Mercury but 10 songs is poor for a full price DVD especially when they did 20 or so songs the night I went.“
„This is really disappointing. I was incredibly happy when I heard that you guys gonna release a concert on dvd, but 10 songs? Seriously? This should be an extra dvd to the B-sides or something like that, but not a full price dvd…too bad! Really was looking forward to it! Your shows are so (!!!) amazing, why don’t you put that on a dvd?!“
„22/23 songs played, 10 released? Did the rest of the show suck that much, or were those ten songs just that good?“
Dennoch bestellte ich mir dieses Teil. Quasi als Erinnerungsstück.
Im neuen Jahr erreichte mich schließlich die DVD. Ich öffnete das kleine Päckchen, schaute mir das Ding an & was mir sofort als allererstes Wort in den Kopf kam: Lieblos.
Lieblos gestaltet. Vorne ein Bild, wie Alex sein Instrument zerstört. Hinten drauf die 10 (!!!!!!!!!) Titel der Songs & mehr als kleine Fotos, die man ohne Lupe nur sehr schwer in voller „Pracht“ erkennen kann. Alles in sämtlichen Grautönen gehalten. Machte man die Hülle auf, noch mehr Ernüchterung. Ein weiteres schlecht erkennbares Hintergrundbild war vorhanden und die DVD. Nichts weiter. Es kam mir vor, als ob ich mir diese DVD irgendwo in Polen für läppische drei Euro zugelegt hätte (Jaja, Kindheitserinnerungen tauchen auf. Da war man öfter mal auf dem Markt in Polen & dort gab es nun einfach Mal diese billigen CDs & Kassetten, die auch so lieblos daher kamen. Deswegen der Vergleich.). Und dafür hat man fast 20 Euro bezahlt…
Achja, hier mal eben die 10 Songs:
American Slang / The ’59 Sound / Handwritten / „45“ / Here comes my man / Too much blood / Great expectations / Keepsake / She loves you / Mulholland drive
Ich schaute es mir an. Die Qualität ist wirklich spitzenmäßig, keine Frage. Aber sonst? Mir fiel eher nochmal ganz gut auf, dass die Stimmung im Publikum tatsächlich nicht ganz so gut war.
Ich kann eigentlich nicht wirklich viel über den Inhalt sagen, weil es mich einfach nicht gepackt hat und auch nichts Nennenswertes dabei war, was es zu erwähnen gilt. Zwar hat man mal hier und da bißchen mitgewippt oder sich über „She loves you“ gefreut, aber das war es auch schon.
Als ich mit der DVD durch war, kam erneut die Ernüchterung. Es ist einfach so schade, dass man aus diesem ganzen Videomaterial der zwei Abende nur so wenig rausgeholt hat. Warum hat man es denn nicht gleich gelassen? Das wäre für alle Beteiligten doch das BESTE gewesen. Es gäbe keine enttäuschten Fans & keine Band, die sich jetzt der „WAS SOLL DENN BITTE DIESER SCHEIß!?“- Lawine stellen muss. Klar, die Plattenfirma wird an dieser Aktion (die nebenbei erwähnt ziemlich in die Hose gegangen ist!) nicht ganz unschuldig sein, das ist klar. Aber dennoch bleibt es am Ende an The Gaslight Anthem hängen.
Es ist einfach mehr als frech, dass den Leuten so das Geld aus den Taschen gezogen wird. Hätte man einfach mehr Liebe reingesteckt, dann wäre es wirklich etwas sehr Schönes & Spezielles geworden, wofür man gerne sein Geld ausgegeben hätte.
FAZIT: So wirklich interessant ist es wohl nur für die eingefleischten Sammler oder für diejenigen, die selbst in London dabei gewesen sind. Alle anderen sollten es sich tatsächlich mehrmals durch den Kopf gehen lassen, ob sie dieses Geld wirklich dafür ausgeben möchten.