Stell dir vor, dass du dich gerade im wohlverdienten Urlaub befindest. Du hast dich dazu entschieden, in den warmen Süden zu flüchten. Du suchst Ruhe und Entspannung, vielleicht auch etwas Abgeschiedenheit. Eine gewisse Anonymität käme dir ganz recht. Aber was findest du stattdessen vor? Genau: Massenhaft Touristen, die dich fast umrennen. Volle Restaurants, Straßen und Busse.
Selbst dort läuft dir auch noch ein bekanntes Gesicht entgegen und grüßt freundlich. Es ist dein Nachbar, der dich in der Heimatstadt nicht mal mit dem Arsch angucken würde. Badesachen befinden sich unter deinem Arm, ebenso wie eine Luftmatratze. Am Strand angekommen. Du findest eine verworrene Kette aus liegenden, sitzenden, schwimmenden & spielenden Menschen vor. Es widert dich regelrecht an. Du fragst dich, seit wann dich dieser Menschenhass so fest im Griff hat. Durch den stressigen Job, wo dich jeder nervt und etwas von dir möchte? Weil du seit vier Jahren keinen Urlaub mehr hattest und permanent unter Strom standest? Dazu die gescheiterte Ehe? Ja, das kann gut sein.
„It’s the past that leaves you on the floor.“
Handtuch und Sonnencreme wirfst du unbeachtet in den Sand, läufst unbeirrt ins Wasser. Etwas zieht dich magisch an. Du wirfst dich auf die Luftmatratze, paddelst los, ohne Ziel. Irgendwann bemerkst du, dass sich die Stimmen entfernt haben und du diese kaum mehr wahrnehmen kannst. Du hörst auf zu paddeln, der Herzschlag verlangsamt sich, du lässt dich treiben.
Etwas ummantelt dich. Sanfte Melodien, die scheinbar im Gleichschritt mit den Wellen zu tanzen scheinen und dich in ein rhythmisches Hin und Her versetzen. Du fühlst dich wie in Trance.
„Come to me, come to me. I’ll be your friend.“
ruft dir jemand zu. Du schaust nach rechts auf eine palmenbesetzte Insel, nur wenige Meter von dir entfernt. Eine Person steht bis zu den Knöcheln im Wasser, grinst und winkt dir zu. Du winkst zurück. Er sieht aus wie du, nur viel jünger.
„What are you still doing here?“
Die Insel verschwindet so schnell wie sie erschienen ist. Ein Floß kommt dir entgegen, darauf zwei Personen. „Moment, das bin doch ich- mit meiner Frau.. Ex-Frau.“ Alles spielt sich im Schnelldurchlauf ab: Das allererste Date. Die Hochzeit. Der Nachwuchs. Die Scheidung. Von den glücklichen Tagen bishin zur nervlichen Katastrophe. Es schmerzt, dir diese ganzen Szenen anzuhören und anzuschauen. Aber auf der anderen Seite bist du froh darüber, dass dieser Mensch vor vielen Jahren in dein Leben getreten ist.
„You will find yourself in time, all it will take is some time.“
Eine Luftmatratzenfahrt, die dir einiges abverlangt: Mal langt dir das Wasser derbe in die Fresse, bis dir fast schwarz vor Augen wird. Die Wellengänge rütteln dich wach & die strahlende Sonne gibt dir immer wieder Hoffnung. Du tankst Kraft, neue Energie, lässt dich nicht entmutigen.
„Cool down. Float on.“
Entschuldigung, aber Rezensionen fallen bei mir immer anders aus: Ich verpacke einiges zwischen den Zeilen, wie auch jetzt bei Seahaven. Ich hatte direkt beim Hören dieses Bild im Kopf. Dieses treiben lassen auf offenem Meer. Erinnerungen aufleben und gewisse Lebensabschnitte an sich vorbeiziehen lassen. Schmerz. Hoffnung. Einatmen. Ausatmen. Weitermachen. Seahaven.
Ich muss gestehen, dass ich Seahaven vorher tatsächlich noch nicht kannte & ich quasi von Uncle M darauf gestoßen wurde. So hörte ich einfach mal rein & tat mich bei den ersten Songs etwas schwer mit der Stimme von Sänger Kyle Sotos. Na gut, was heißt in dem Falle schwer? Wahrscheinlich störte ich mich an seiner undeutlichen Aussprache. Aber wenn man die Lyrics dazu vor Augen hat, kommt man langsam aber sicher rein in die Geschichte und ist relativ schnell begeistert davon, wie diese sich perfekt in das Klanggerüst eingliedert.
Wenn man die 14 Songs laufen lässt, stellt sich automatisch dieses Verlangen nach „Ich möchte mich jetzt bitte auf die Couch legen, die Decke über den Körper ziehen, stillschweigend und mit geschlossenen Augen dieses Album hören.“ Ähnlich wie mit einem Stück Schokolade, welches man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lässt und man gierig nach dem nächsten Stückchen greift, weil man davon nicht mehr genug bekommen kann.
Ja, genauso ist es tatsächlich mit „Reverie Lagoon: Music For Escapism Only“, mittlerweile Album Nummer zwei von Seahaven, welches am 28. März überall zu finden sein wird- ob in digitaler Form oder beim Plattendealer nebenan.
Passend dazu gibt es Tourdaten! Jawoll! Also wenn das nichts ist, dann weiß ich aber auch nicht!
13.04. Hamburg, Goldener Salon (mit SMILE & BURN)
14.04. Köln, Tsunami Club (mit CITY LIGHT THIEF)
15.04. Berlin, Cassiopeia (mit CITY LIGHT THIEF)
Ein Gedanke zu “Auf großem Gewässer unterwegs: Seahaven.”