„Fluch & Segen treffen also mal wieder aufeinander…“ – Meinungen über Crowdfunding.

2014-04-23 21.24.27Im musikalischen Bereich wird es immer Dinge geben, die man entweder hasst oder liebt. Dinge, bei denen man sich nur sehr schwer in der Mitte treffen kann, weil man entweder total begeistert von dem vorhandenen  Konzept ist, oder eben eher genervt. Für mich zum Beispiel ist Streaming ein absolut rotes Tuch, für andere ist es der Himmel auf Erden. Auch beim Thema Crowdfunding gehen die Meinungen oft sehr weit auseinander: Kann man es bereits unter ‚Bettelei‘ abheften? Von der Straße ins Internet? Braucht man das überhaupt? Früher ging es ja schließlich auch ohne, oder?

Ja, es ist ein Zwiespalt: Einerseits denkt man sich, dass es jetzt keine schlechte Idee ist, da die Menschen/Fans immerhin selber entscheiden können, OB sie etwas ’spenden‘ wollen oder nicht. Man wird nicht dazu gezwungen. Andererseits haben es viele Musiker/Bands davor auch geschafft, ohne Crowdfunding ein Album zu finanzieren, auch wenn das Geld mehr als knapp zur Verfügung stand. Da musste eventuell ein Zweitjob her & man verschob das Vorhaben etwas weiter nach hinten.

Am Ende muss jeder selber wissen, wie er die Sache angeht: Crowdfunding – Ja oder nein?

Aber ich muss sagen: Wenn mir Musiker sehr am Herzen liegen, dann überlege ich tatsächlich nicht lange ob ich etwas dazugebe, denn irgendwie ist es für mich dann doch selbstverständlich. Zumindest in meiner eigenen kleinen Welt, haha! Somit habe ich John Allen quasi etwas Geld zukommen lassen, damit er bald mit seinem Album um die Ecke kommen kann. Wer sich ebenfalls anschließen möchte, findet weiter unten den passenden Link!

Ich habe ein paar Leute gefragt, ob sie etwas über Crowdfunding zu zu sagen haben und was soll ich sagen: Hatten sie! Vielen Dank an Felix (Flix Records), John Allen, Achim Erz, Fabian & Ghost of a Chance!

Felix (Flix Records): Du pickst dir ja immer relativ kontroverse Themen raus wie zum Beispiel Streaming. Crowdfunding ist ja auch so ein Ding: Da kann man kritisch der Sache gegenüber stehen oder es eben aber auch total toll finden. Auch mit John Allen hatte ich da viele Diskussionen drüber. Ich bin ganz ehrlich und muss sagen, dass mir das immer nie so sehr gefallen hat der Gedanke. Also einfach weil es so ein bisschen was von betteln hat. Bei John ist es aber so, dass er viele Angebote von Plattenfirmen hat und die ihm aber ständig irgendwelche krummen Deals aufs Auge drücken wollen. Da kam dann bei ihm schnell Crowdfunding als Idee hoch und mich haben die Argumente überzeugt: John musste keinen furchtbaren Plattendeal eingehen, ist frei und kann selber sein Album aufnehmen. Sogar noch mit einem tollen Produzenten wie Kay Petersen, der aus der Region kommt. Wichtig war uns aber dass die Fans im Gegenzug tolle Dinge bekommen. Da hat John sich auch super Sachen ausgedacht. Wenn die Leute, die für das Projekt hinterher glücklich sind, dann war das eine tolle Aktion. Vielleicht gibt es den einen oder anderen, der das doof findet, aber dem kann man das ja vielleicht auch erklären. Ich hab das Gefühl, dass die Leute John gerne supporten oder er den Menschen da draussen auch viel zurückgibt.

John Allen: Ich finde Crowdfunding ist eine tolle Möglichkeit um die Grenzen zwischen Künstler und Publikum weiter abzubauen. Die Zuhörer bekommen das Gefühl Teil der Produktion zu werden und können – vollkommen zu Recht – behaupten, dass ohne ihre Mithilfe das Album nicht zu Stande gekommen wäre. Warum ich mich dafür entschieden habe: Zunächst einmal relativ banal: Ein Album aufnehmen und produzieren lassen kostet Geld, viel Geld, mehr Geld als ich mal eben auf dem Konto habe. Daher ist Crowdfunding für mich natürlich auch in erster Linie einmal die Möglichkeit das Projekt überhaupt zu realisieren. Um ehrlich zu sein, ich war am Anfang nicht sonderlich angetan von der Idee, da ich ein wenig Probleme damit hatte, dann auch aktiv dafür zu werben, dass mir Leute Geld geben. Freunde haben mich dann doch davon überzeugt es anders zu sehen, nämlich als Möglichkeit das Album mit Supporter zusammen zu stemmen und diesen gleichzeitig ein paar nette Dankeschöns zurückzugeben, die sie sonst nicht kaufen könnten. Diese Argumente haben mich dann überzeugen können…

Und was soll ich sagen, ich bin überwältigt von dem Feedback! Generell ist es so, dass ich mit den eigentlich angepeilten 3500€ nicht ausgekommen wäre. Ich hatte die Summe bewusst niedrig angesetzt um zu sehen wie es überhaupt läuft. Das wir jetzt auf die 5000er Marke zu steuern macht mich glücklich (ich brauche keinen Kredit) und unheimlich stolz, dass so viele Leute offenkundiges Interesse an meinen neuen Songs zeigen.

Die 5000er Marke wurde zwar in der Zwischenzeit erreicht, aber dennoch kann man John Allen bis zum 30. April weiter unter die Arme greifen! Wer also zum Beispiel über Ostern ein wenig Geld von der lieben Verwandtschaft abstauben konnte & nun nicht weiß, was man damit anfangen soll, der kann einen kleinen Teil zur Crowdfunding Aktion beitragen! Was/Wie/Wo?

Schaut euch einfach mal auf der Seite um:

+++++++++Klick!+++++++++

Achim Erz: Ich finde betteln einfach nicht passend, wenn man seine Kunst verkaufen will. Aber auf der anderen Seite kann ich das sehr gut verstehen, weil das alles viel Geld kostet und die meisten Menschen denken ja noch immer, dass man eine Platte in 2 Stunden im Wohnzimmer aufnimmt (Diese Platten gibts zwar auch, aber meistens ist es doch etwas anderes.). Das Problem ist nur, dass ich mittlerweile jeden Tag mit 3 Crowdfunding-Aktionen auf Facebook überschüttet werde und das nervt mich!

Die sogenannten ‚Dankeschöns‘ sind das Schlimmste für mich: Man bekommt gemalte Bildchen, unveröffentlichte Lieder oder die Platte vor Erscheinungsdatum. ‚Dankeschöns‘- Ich finde das Wort schon unerträglich! Wer will denn ein Bild von mir haben? Und ob ich die Platte ein paar Tage davor bekomme ist doch total wurscht!

Wenn ich dafür betteln würde, dass Menschen mir Geld für meine Platte geben, dann würde ich ihnen wirklich etwas besseres schenken: Bücher, die ich nicht mehr brauche, Platten/CDs, selbst gemachte Frikadellen oder ein paar Unterrichtsstunden am Schlagzeug. Aber die Preise die mir angeboten werden sind unglaublich FAD. Auch wie das betteln gefilmt wird: schrecklich! Alle sind so demütig und leidend, weil man ihnen doch bitte unter die Arme greifen soll. Ich kann das drehen und wenden wie ich will- ich werde damit einfach nicht glücklich. Ich muss allerdings ganz klar sagen: Ich schreibe das aus einer Position heraus, in der ich bis jetzt nur eine EP mit vier Liedern aufgenommen habe und das für einen grotesk billigen Preis. Wenn ich also ein ganzes Album in Angriff nehme und das alles sehr teuer werden wird, dann weiß ich vielleicht auch nicht genau wie ich mich verhalte und ob ich Geld erbetteln werde. Ich fang auf jeden Fall schon damit an, Bildchen für die ‚Dankeschöns‘ zu malen…

Fabian: Neue Alben oder Musikprojekte durch Crowdfunding zu finanzieren finde ich super. Man rückt zum einen näher zusammen. Allgemein funktioniert es denke ich nur bei Musikern die einen (guten) Draht zu ihren Anhängern und Hörern haben. Warum benötigt man diese nun so sehr? Klar, zum einen kostet so eine Albenproduktion echt viel. Es schafft ein Bewusstsein dafür, wie teuer das eigentlich ist. Wenn man nicht nur seinen Kram auf Bandcamp hochladen will, sondern ein schönes Werk möchte, ist da einiges zu finanzieren. Da die Fans sowieso die neue Platte hören möchten, sind das potentielle Unterstützer. Weiterhin finde ich diesen Gedanken, zusammen etwas zu schaffen unheimlich leidenschaftlich und aufbauend.

Erst letztens habe ich die Startnext-Kampagne des Stuttgarter Café Galao finanziell unterstützt, das ein wichtiger kultureller Standort ist und denen seitens Vermieter der Rauswurf gedroht wurde. Einzige Option: Kauf. So stand eine Stadt beispielhaft auf und tausende gaben private Kredite, spendeten auf Startnext, realisieren Soli-Events und das Galao wurde innerhalb eines Monats gerettet. Wo wir so viel über die Stadt schimpfen, zeigte man diesmal, das es auch anders gehen kann – gemeinsam. Aktuell unterstütze ich die Startnext-Kampagne vom Hamburger Musiker Ben Schadow (Klick!), der ja durch sein Mitwirken bei vielen Bands sehr bekannt ist und auch solo unterwegs ist. Sein zweites Solo-Album „Dr. Eskapismus“ möchte er durch Crowdfunding finanzieren. Zum einen freue ich mich natürlich auf das Album und mache deshalb mit, weil es wirklich traurig wäre, wenn das nicht klappt. Auch mag ich Ben und finde seinen Entschluss zu Startnext und seine Ideen dazu super. Die, die unterstützen werden vorab mit neuen Songs belohnt und können aktiv am Albumprozess teilnehmen, sich einklinken und sehen, wie es läuft und wo man steht.

Ghost of a Chance: Als ich zum ersten Mal von Crowdfunding als Mittel zur Veröffentlichung von Musik gehört habe, war ich wirklich sehr begeistert. Immerhin ergab sich so die Möglichkeit nicht nur auszuloten wie viel tatsächliches Interesse es an einer Veröffentlichung gibt, sondern sie auch vom Joch der Labels, und deren (oft sehr unrealistischen) Einschätzung besagten Interesses, zu befreien. Und man konnte dadurch auch die Fans direkt mit einbinden, ihnen die Möglichkeit geben an der Produktion indirekt mitzuwirken, und auch noch mit einem persönlichen Dankeschön zu belohnen. Da ich einen Großteil meiner musikalischen Sozialisation in Punk/Hardcore-Gefilden absolviert habe, in denen der Do-It-Yourself Gedanke sehr zentral war/ist, erschien mir so ein Prinzip als die konsequente Weiterführung ebendieses Gedankens. Soweit so gut. Wirklich sehr gut. Logischerweise wurde und wird diese Begeisterung mittlerweile von sehr vielen geteilt. Sehr sehr vielen. Was wiederum dazu geführt hat, dass die Anzahl der Projekte die über Crowdfunding realisiert werden möchten geradezu explodiert ist. Es haben sich sogar einige darunter gemogelt, die meiner persönlichen und völlig subjektiven Einschätzung nach aufgrund völlig ausreichender Unterstützung des Mainstreams nicht das geringste bisschen Crowdfunding benötigen, aber leider viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und damit vielleicht von anderen Projekten ablenken. Kleinere Projekte die Unterstützung sehr viel nötiger hätten. Fluch und Segen treffen also mal wieder aufeinander, denn natürlich sind auch beim Crowdfunding die Ressourcen begrenzt.

Umso schöner finde ich es daher, dass der liebe John Allen es geschafft hat sein kommendes Album so zu finanzieren, dass sich genug Leute gefunden haben, die erkennen, dass echte Musik nicht vom Major-Label kommen muss, und dass Musiker wie er die Unterstützung einfach mehr als wert sind. Weil sie echt sind, wie ihre Musik echt ist, weil da soviel Herzblut fließt, aber leider nicht immer genug Cashflow.

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