
Alle guten Dinge haben irgendwann ein Ende! Somit auch die Tour von City Light Thief, die zusammen mit Heisskalt und Seahaven unterwegs waren. Und ihr wisst was das bedeutet, oder? Genau: An dieser Stelle enden leider ebenfalls die Tourtagebucheinträge vom umwerfenden Benni, der sich immer die nötige Zeit nahm, um all die schönen Eindrücke & Erlebnisse in passende Zeilen zu verwandeln: Ob über das Dilemma mit seiner Jacke, Einbrüche, Freizeitgestaltungen, Auftritte, Kuddelmuddel oder brandneue Tattoos – wirklich alles war ein reinster Augenschmaus!
Vielen Dank, Benni! <3 Es war uns eine regelrechte Ehre! Nein, sogar mehr als das! Ich hoffe sehr, dass man in Zukunft auch noch weitere Tourtagebucheinträge lesen kann. Irgendwo, irgendwann! Danke, danke, danke!
Nun hier der letzte Teil:
Hallo zum letzten Teil des Tourtagebuchs.
Ich sitze wieder auf meiner Couch zu Hause & das ist ganz geil, auf der anderen Seite aber auch hart deprimierend. Diese Tour ist (für uns) vorbei, und wir seit 2 Tagen wieder im echten Leben. Dazu gleich. Letztes Mal fuhren wir nach Potsdam. Und das war so.
Die Strecke nach Potsdam, gute 400 Kilometer, ist die erste auf die wir in einen Stau geraten. Da wir aber (wie eigentlich jeden Morgen) sehr vorbildlich früh losgekommen sind, erreichen wir auch diesmal wieder recht pünktlich den Lindenpark in Potsdam. Als wir ankommen, stehen die Peoples von Zen Zebra schon hinter der Halle und trinken Bier – sie haben schon alles ausgeräumt & dürfen schon was trinken. Ich bin ein bisschen neidisch. Es gibt eine Vorstellungsrunde mit Zen Zebra, alles sehr sehr nett. Wir gehen durch eine schwere Sicherheitstür und stehen plötzlich auf der – da bin ich mir recht sicher – größten Bühne auf der wir bisher gespielt haben. Der Lindenpark bietet Platz für fast Eintausend Personen. Das ist viel & dementsprechend groß ist es auch auf der Bühne. Hui! Heute sind wir wie gesagt drei Bands – Zen Zebra aus Leipzig spielen heute noch zwischen uns und Heisskalt.
Beim Soundcheck der Bands vor uns gibt es einige Verzögerungen, so dass wir unseren Soundcheck in knapp unter 30 Minuten herunterprügeln, bevor die Türen aufgehen. Auf der Bühne sind wir trotzdem sehr zufrieden mit dem Klang. Als es dann kurz darauf 20 Uhr ist, und wir eigentlich anfangen sollen, sind vielleicht 20, 30 Menschen in der Halle. (Sonst für uns normal, in einem 1000er-Laden aber doch etwas befremdlich). Potsdam – waren wir noch nie. Sind die Leute hier vielleicht auch so unpünktlich, wie man es den Berliner nachsagt? Das Wetter draußen ist auch sehr gut, vielleicht wird lieber im Skatepark hinterm Laden abgehangen und Sterni getrunken? All das wären plausible Gründe. Aber nein – der ÖPNV in Potsdam ist Schuld. Irgendwelche Bahnen sind ausgefallen. Marv, der Sänger von Zen Zebra spricht mit der Tourleitung Fabian – es wird beschlossen, dass Konzert 30 Minuten später beginnen zu lassen. Wir nutzen die Zeit zum Kennenlernen der anderen Vorband, Heisskalt sind derweil mit diversen Presseterminen beschäftigt. Gitarrist Eric entpuppt sich als totaler Kenner „unseres Werks“, was mich sehr freut. Toll. Hoffentlich sieht man sich mal wieder!
Um 20.30 hat sich das Bild dann gewandelt – die Besucherzahl ist im sehr guten dreistelligen Bereich. Beim Konzert selbst habe ich auf der Bühne wieder sehr viel Spaß – diese großen Bühnen geben einem irgendwie das Gefühl, mehr ausprobieren zu können als sonst, man fühlt sich ein bisschen anonymer und muss beispielsweise nicht so sehr auf die Unzulängleichkeiten seines Körpers achten. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass der Sound nach draußen wohl eher kraftlos war, so dass es nur die ersten paar Reihen unsere „Energie“ abbekommen, aber insgesamt schlagen wir uns glaube ich ganz gut.
Zen Zebra nach uns haben besseren Sound, sie werden von Heisskalts tollem Soundmann Jonas gemischt. Sie spielen ein ziemlich eindrucksvolles Konzert – Dredg, At The Drive-In, und viele weitere tolle Bands kommen mir als Referenzen in den Kopf.
Als Heisskalt danach auf die Bühne gehen, ist der Laden sehr manierlich gefüllt, und die Band spielt ihr Konzert einfach so, als wäre das nicht die größte Halle als Headliner für sie. Soll heißen: beeindruckend!
Nach dem Konzert werden erstmal wieder mit Menschen Fotos gemacht, ein paar Dinge verkauft und unterschrieben. Niko von Chimperator ist wieder da, Dani auch, ein toller Rausch entsteht. Zum krönenden Abschluß finde ich die Dino-Tattoos, die mir Freunde vor 2 Jahren aus London mitbrachten. Jeder im Umkreis von 5 Metern wird mit Spucke und Abziehbild dinotattowiert, danach gibt es noch ein Foto im angrenzenden Fotoautomaten.
Wir schlafen im direkt an den Lindenpark angrenzenden Jugendheim. Zu meinen Füßen ein Aquarium, das mich in den Schlaf pluckert. Um das Einschlafen perfekt zu machen, läuft die CD „Katzenmärchen“, die neben dem örtlichen CD-Player liegt. Stark.
Platte des 8. Tages: Bruce Springsteen & The E-Street Band – Live in Brisbane 2014
Am folgenden Karfreitag finden wir einen fantastischen Bäcker zum Frühstücken & sitzen direkt gegenüber vom Bahnhof Babelsberg. Unglaublich idyllisch, ich steh ein bisschen auf diesen Ost-Flair. Die Strecke heute nach Lübeck ist eigentlich gar nicht so weit, aber 5 Minuten nachdem wir auf der Autobahn sind, geht der Stau los. Das Ganze wird recht absurd – der Stau hört für die nächsten 4 Stunden eigentlich nie auf. Wow. Egal, die Laune bei uns ist eigentlich ganz gut. Kurz nach 16 Uhr kaufen wir uns drei Dosenbier Becks zum Preis von zwei – ein starker Deal auf einer Autobahnraststätte irgendwo im Niemandsland. Außerdem kaufe ich mir das erste Mal nach 15 Jahren Yoghurette (oder wie man das schreibt!??!?), nach 4 Stück verliere ich allerdings schon wieder das Interesse.
Wir hatten uns schon einiges ausgemalt, was für ein Laden das sein muss, an dem an Karfreitag so mir nix dir nix ein Konzert stattfinden kann. Sonst ist ja überall alles an Krach verboten an diesem Tag. Die Antwort ist befriedigend: das Riders Café liegt a) außerhalb jedes Wohngebiets in Lübeck und b) ist ein waschechter Biker-Treff, also auch ein kleineeees bisschen außerhalb des Gesetzes. Enorm cool. Ich fühle mich prompt wie in einer Folge Sons Of Anarchy – ich liebe die Serie, unser Gitarrist Tobi hasst sie abgrundtief. Nach der ersten kurzen Befremdlichkeit ist aber alles sehr geil. Heisskalt verspäten sich, sind erst nach uns da, das wird heute also wieder ein fixer Soundcheck werden.
Um die Beine zu aktivieren, gehe ich auf dem anliegenden Parkplatz ein paar Bahnen laufen, als Belohnung vertrete ich mir gleich den Knöchel, eine kleine Verletzung, die ich bis heute spüre. Gott, bin ich manchmal wahnsinnig dumm. Die Sabbelei im Backstageraum vor dem Konzert ist heute noch eine Spur lustiger als sonst (zumindest gefühlt), so werden u.a. wieder die besten Geschichten von den geilen Adolar oder vom Gespräch von Roman und dem Seahaven Gitarrist ausgepackt, der ihn einfach so mitten im Satz stehen ließ. (Geil, Tourinsider, die kommen immer am besten für Außenstehende. Aber ihr habt es nicht anders gewollt.)
Anyway – tolles Konzert. Die Bühne ist hoch und mittelgroß, der Raum sehr gut gefüllt, mindestens zwei Leute im Raum kennen uns und singen ein paar Songs lautstark mit. Rührend, ehrlich. Beim Hüpfen auf der Bühne knicke ich ein zweites Mal mit dem Knöchel um. Dann wieder Heisskalt, die wir Spartaner-mäßig auf die Bühne brüllen. Beim Hüpfen zu ihren Songs knicke ich mir den Fuß ein drittes Mal um. Hattrick.
Am Merchtisch, der heute ein Billardtisch ist, geht es wieder lustig her. Ein Kerl ist da, der gerade irgendso ein komisch Oster-Tramping-Spiel spielt. Ich bin leider zu verwirrt, um ihn genau zu verstehen, aber Heisskalt erfüllen ihm auf jeden Fall seinen Wunsch, ein paar Meter im Tourbus mitzufahren. Stark.
Wir schlafen heute abend im Studentenwohnheimszimmer von meinem Freund Andi – er ist derzeit in Hamburg. Sein Zimmer ist sehr chic, die Wohnung insgesamt der helle Wahnsinn, seine Mitbewohner machen keinen Mucks (so fern sie denn da waren). Vor dem Schlafengehen passierte irgendwas Lustiges, an das ich mich leider nicht mehr erinnern kann. Die Wohnung liegt quasi direkt am Holstentor, also am Herzen Lübecks. Am nächsten Morgen stromern wir durch die Innenstadt und den Marzipanladen. Der Weg nach Hamburg ist heute nur ein echter Katzensprung.
Platte des 9. Tages: Seahaven – Winter Forever
Wir kommen bei blendendem Sonnenschein gegen 13 Uhr in Hamburg an. Da wir heute in der legendären Roten Flora spielen, ohne Heisskalt, haben wir noch gute 6 Stunden Freizeit vor uns. Wow. Außerdem ist Record Store Day. Hier ist was wir tun:
Casi, Gaston, Tobi, Roman, Mario: fahren erst zu Just Music um Musikalien einzukaufen & über Gitarren abzunerden, danach Kartoffeln essen, dann Eis, dann Plattenkaufen (Tobi z.B. Michael Jackson, Mario Nirvana, Casi Fleetwood Mac oder sowas?).
Roman & Benni: KINO. HAHAHAHAHAHAHAHA. War aber toll. Um kurz nach eins ins Kino, Roman stellt mir direkt ein Bier hin, super. Die Karte kostet 14€. Absurd, aber mir gerade jeden Pfennig wert. Wir gucken einen Actionfilm, der Okay ist und ich fühle mich ultraentspannt nach dem gut 3,5 Stunden langen Aufenthalt in dieser Dunkelkammer.
Wir treffen uns gegen 17 Uhr alle an der Roten Flora, wo wir heute beim Bananenterz Festival spielen – eine Koop-Veranstaltung der Konzertgruppen Friesenterz und Violent Banana, in die wir coolerweise kurzfristig reingerutscht sind. Letztes Jahr auf unserer Tour mit Antillectual und Smile & Burn waren wir auch schon hier, man war das super. Auch heute sind wieder alle Leute toll zu uns. Wir spielen, genau wie letztes Jahr, als erste Band im großen Raum. Dieses Mal ist es nicht ganz so voll wie letztes Mal, gute 50-60 Leute sind vielleicht schon um 19.30 Uhr da, als wir beginnen. Aber ich glaube das Konzert ist gut. Wir sind ja nun wirklich keine typische Rote-Flora-Band, und heute vorallem musikalisch starker Außenseiter. Trotzdem macht alles sehr viel Spaß. Heute wird ein bisschen mehr geschrien von uns als sonst.
Danach ein toller Rausch – also wirklich. Nicht stumpfes Besaufen, sondern Bands gucken, mit tollen Leuten reden, über Gastons bekleckterte Schuhe lachen. Unser Freund und Fotograf Andreas ist mit uns unterwegs, toll ihn wiederzusehen. Danke an den geilen Chris und seine vielen Helfer für die Einladung und die viele Gastfreundschaft. Irgendwann nachts machen wir uns auf den Weg zur Prinzenbar, zur Heisskalt-Aftershowparty. Hip Hop Zigaretten, Musik, Whiskey-Cola. Umarmungen, Liebesbekundungen, die volle Peitsche. Toll. Danach gehen wir – tatsächlich – noch auf ein einziges Bier ins Molotow Exil, treffen dort weitere Bekannte, und werden kurzerhand von der tollen Delikatess Lisa umsonst eingelassen. Hamburg, du Grevenbroich2.
Geschlafen wird heute in einer leeren Wohnung irgendwo in Hamburg. Als wir aufwachen bin ich noch betrunken, aber irgendwie auf eine positive Art & Weise. Wir frühstücken ungesund und ich freue mich auf den Schlaf auf der langen Fahrt nach Karlsruhe. Zur letzten Show schon. Scheiße.
Platte des 10. Tages: Instrument – Read Books
Nach 6 Stunden Fahrt kommen wir in Karlsruhe an, ich bin noch ungeduscht, fühle mich aber verhältnismäßig gut. Da a) das Wetter super b) alle Leute wieder total nett und c) die ganzen Location super ist, vergesse ich jegliche Anstregung und bin total gut gelaunt. Nach dem Duschen passt auch das Äußere wieder zu meiner Laune.
Das Substage ist NOCH größer als der Lindenpark. Es fühlt sich aber gar nicht mehr so Angsteinflößend an, wir alle brennen ein bisschen drauf. Diese wilde Gefühlsmixtur aus Bock, Depression, Kater, nach Hause kommen und unterwegs sein. Kann ich nicht besser beschreiben, sorry.
Wir haben bisher einmal in Karlsruhe gespielt, vor so circa zwei Jahren mit Escapado. Das war alles sehr schön, nur blieb mir ewig in Erinnerung dass ich mich damals mit „Danke Kaiserslautern!!!!“ nach einem Song bedankte. Aua. (Ehrlich gesagt: bin mir heute schon wieder nicht sicher, ob wir in Kaiserslautern gespielt haben und ich „Danke Karlsruhe!!“ brüllte. Anyway). Eine richtige „Erwartung“ an heute habe ich nicht – ich habe Bock die letzten Funken Kraft aus meinem Körper zu sprühen, eine gute Zeit zu haben. Als wir um 21 Uhr auf die Bühne gehen, ist der Raum unglaublich voll. Ich glaube fast, dass es die meisten Leute bisher auf dieser Tour sind. Fuccccck. Ist das genial.
Heute stimmt irgendwie fast alles – zwar bin ich sehr sehr krächzig unterwegs und singe durchaus komische Gesangslinien, aber das fällt glaube ich niemandem auf – die Leute sind der unglaubliche Wahnsinn. 2 oder 3 Mal kommt ein junger Herr zum Stagediven, Mario sagt ihn bosshaft an, es gibt einen kleinen Moshpit vor der Bühne, jemand möchte einen High Five von mir von der Bühne aus. SO fühlt es sich also an, wenn ein Publikum Bock hat. Also – don’t get me wrong – die Publikums (?!) auf dieser Tour waren fast alle enorm spitze, aber heute war irgendwie nochmal ein anderes Level. Ich mach ein Foto von der Bühne aus, das die Ausmaße hoffentlich abbilden kann.
Heisskalt geht es glaube ich ähnlich, sie feuern ein Schweißflak ab, als gäbe es kein Morgen. Schwer beeindruckt, angetüüselt und einfach froh stehen wir selbst im Publikum vor der Bühne & feiern das alles total ab. Gitarrist Philip spielt einmal kurz das „Of Armistice“ Riff auf der Bühne, unsere Herzen explodieren kollektiv. Als wir nach „Das bleibt hier“ von der Bühne kommen, küssen Tourleiter Fabian und ich uns auf den Mund, die Euphorie ist also auch von der Bühne herunter geschwappt.
Nach dem Konzert erst wieder mit tollen Leuten am Merch reden, Dinge verkaufen, Poster verschenken, pünktlich zum letzten Konzert alle leer. Es folgt der eigentlich traurige Teil des Abends, der Abschied. Wir machen eine tolle Party daraus. Die Verabschiedung ist emotional, es wird geküsst umarmt, gelobt, gedrückt, getrunken, verschworen, gesungen. Als wir gemeinsam das Substage verlassen, gröhlen beide Bands unisono den Chor vom Ende von Thrices‘ „Firebreather“. Es entsteht quasi soviel Stimmung und Euphorie wie im RheinEnergie Stadion, als der FC Köln wieder in die erste Liga aufsteigt. Mindestens.
Es passieren noch zwei, drei absurde Dinge (jemand vor der Halle trägt ein Gedicht für unsere Band vor, wir finden keine Tankstelle, im Deutschlandfunk läuft ein – ungelogen – gefühlt 2 Stunden langes Panflötensolo) & plötzlich bin ich zu Hause. Es ist 5.01 Uhr morgens, als ich meine Wohnungstür aufschließe. Tag 12, immernoch Hose 1. Ich, und ich bin mir sicher auch alle anderen aus der Band, sind unendlich high on life.
Hier sollte nun eine Liste der Leute folgen, denen wir diese Zeit zu verdanken haben – wir können das alles gar nicht zurückgeben – aber diese Liste wäre niemals komplett. Ich hoffe ich habe im Laufe des Tourtagebuchs oft genug betont, wie unendlich dankbar wir / ich den Leuten sind, die diese Tour möglich gemacht haben.
Das war eine der schönsten Zeiten, die ich jemals erlebt habe.
Platte des 11. Tages: Heisskalt – Vom Stehen und Fallen