Tja. Vor einigen Wochen sagte ich noch zu Esther, dass ich über das Kaos Skola Festival berichten werde. Und nun sitze ich vor diesem Computer und bereue meine große Klappe. Denn mal ganz ehrlich: Wie soll man dieses Erlebnis in Worte fassen, wenn man so schon Probleme damit hat Freunden von diesem ganz besonderen Gefühl zu erzählen, welches die ganzen Festivaltage mitschwang? Es sind sich garantiert alle einig, die mit in Schweden waren, dass man einfach dabei gewesen sein muss, um diese besondere Wärme zu spüren, die rund um die Uhr zum Greifen nah erschien. Gott. Esther und Nico, was habt ihr nur mit uns gemacht? An dieser Stelle darf man sich gerne viele umherfliegende Herzen vorstellen!
Mein Kopf scheint vor Glücksgefühlen fast zu platzen. So gut wie jetzt fühlte ich mich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr. Ich würde mich Berichttechnisch ja kurz halten, aber wer meine ausufernden Texte kennt, weiß: Ich kann einfach nicht anders. Sorry!
Zurück in die Zukunft Vergangenheit.
Donnerstag, 22. Juli:
‚Ich brauch heut gar nichts mehr, ich hab hier alles was ich brauch.‘
Der verdiente Urlaub sollte also mit der langen Fahrt nach Schweden beginnen. Ganz gemütlich wollten wir mit der S-Bahn Richtung Hauptbahnhof fahren, aber irgendwie standen wir uns die Beine in den Bauch und die Anzeige sprang von 5 Minuten wieder auf 12 Minuten und langsam wurde es eng. Bis dann die Durchsage kam, dass durch einen Notarzteinsatz im Moment keine Bahn fahren würde. Jawoll! Was jetzt? Laufen? Schaffen wir zeitlich nicht mehr. Bus? Taxi? Ach, lass uns zur U-Bahn hetzen! Die Sonne schien, die Punks sonnten sich auf dem Gehweg und irgendein Song, der sich um den scheiß Montag drehte, brüllte uns entgegen. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir gerade Wochenanfang hätten und nicht kurz vor’m Wochenende stehen. Rein in die Bahn und alle paar Minuten wurde nervös auf die Uhr geguckt. Aber: ca. 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges kamen wir an. Punktlandung!
Platz eingenommen. Durchgeatmet. Zurückgelehnt.
Der Zug rollte los und kennt ihr das Gefühl, dass man irgendetwas vergessen hätte? Ja? So erging es mir plötzlich und tatsächlich: Ich hatte meine EC-Karte daheim auf dem Sofa liegen lassen. Bäm! Wie war das noch gleich mit dem Montag?! Fuck off.
Irgendwann konnte man sich während der Fahrt für ungefähr 40 Minuten die Beine auf dem Deck einer Fähre vertreten. Die Möwen geierten nach Leckerbissen und wir trotzten dem Wind. Aber immer wieder toll, welche Ideen manche Leute haben: Sich zum Beispiel den Apfel kurz abwaschen wollen. Eigentlich kein Ding, aber bitte nicht auf dem Deck! Mit einer Wasserflasche bewaffnet versuchte ein junger Herr dennoch sein Glück. Das Wasser landete natürlich nicht auf dem Apfel, sondern wurde mit dem Wind in unsere Richtung getragen, man konnte herzlich darüber lachen.
In Kopenhagen umgestiegen, den letzten Rest in Angriff genommen und durch den Vordermann ein wenig ‚BoJack Horseman‘ sehen können.
In Linköping endlich wieder festen Boden unter den Füßen bekommen und wir haben es noch immer nicht realisiert, dass wir uns nun nicht mehr in Deutschland befanden, sondern tatsächlich in Schweden wandelten. Vom Zug stieg man direkt in einen kleinen Bus und somit wurden wir für ca. 1 Stunde durch die eher karge Landschaft gefahren.
Nachdem wir irgendwie um die 12 Stunden unterwegs waren, kamen wir endlich auf dem Gelände an! Hier und da stolperte man über einen Hund, aber hey: es war schon ein wenig dunkel gewesen! Wir tingelten ums Haus herum, die meisten wärmten sich am etwas entfernter gelegenen Lagerfeuer auf. Jemand kam auf uns zu, nachdem wir uns die Bühne näher betrachteten: Esther! Es folgte direkt eine Umarmung als Begrüßung und eh man sich versah, folgte eine kleine erste Führung durch das doch riesige eindrucksvolle Haus: Unser Schlafplatz für die erste Nacht befand sich oben und diesen teilten wir uns mit einem haarigen verschmusten Geschöpf.
Unten im Wohnzimmer klimperte Tex auf der Gitarre rum und es wurde gebannt zugehört. Die Atmosphäre raubte uns zu diesem Zeitpunkt bereits etwas den Atem. Bevor wir uns dazu entschloßen ins Bett zu gehen, nahmen wir vor der Haustür auf den Bänken unseren Platz ein und unterhielten uns mit dem Barguru Zyan und kamen zum ersten Mal mit Steven (& Stanley) in Kontakt. Man genoß die Ruhe in dieser Idylle und wir hatten das Gefühl, endgültig angekommen zu sein.
Freitag, 23. Juli:
‚Für den Moment ist alles gut und die Lieder sind wie Pflaster.‘
In fremden Betten schläft man ja bekanntlich nicht sehr lange, zumindest ist das bei mir sehr oft der Fall. Wenn ich mich recht entsinne, zeigte die Uhr irgendwas mit 7 an und die Sonne schien bereits, sodass man schon automatisch daran dachte aufzustehen. Nichts hörte man. Das Fellknäuel lag am Fußende genau zwischen uns und forderte direkt ein paar Streicheleinheiten ein, als gemerkt wurde, dass ein Zweibeiner wach war. KATZE MÜSSTE MAN SEIN!! Während Musiker und angereiste Festivalisten noch gemütlich in irgendeiner Ecke des Hauses oder Zeltes schliefen, zog es mich nach unten, um mal die nicht vorhandene Dauerbesetzung des Bades auszunutzen. Ja, manchmal bin ich ein echter Fuchs! Janosch, der kleine Nachwuchsschlagzeuger, war ebenfalls bereits hellwach und machte alles unsicher.
Man trat vor die Haustür, bestes Wetter. Und nun sah man das Gelände in voller Pracht: Es kam mir riesig vor und überall schimmerte es saftig grün. Da eine Hängematte, hier ein Trampolin. Dazwischen Zelte und tobende oder schläfrige Hunde. Das Grundstück war umgeben von Wald und man nahm nur das Rauschen des Windes wahr. Wenn man in einer großen Stadt wohnt und immer dem Alltagslärm ausgesetzt ist, ist das purer Urlaub für Seele und Ohren.
Kurze Zeit später fuhr uns Häuptling Nico zu unserem Quartier: Er startete das Auto und welche CD lief passenderweise im Laufwerk? Genau, das Album ‚Und jetzt Licht, bitte!!!‚ von Matze Rossi! Warum wunderte mich das nicht? Während er so fuhr, versuchte er uns zu erklären, dass man auch eine Abkürzung durch den Wald nehmen kann, um zum Kaos Skola Gelände zu gelangen und in unseren Köpfen dachten wir wohl beide, dass wir diese Strecke ebenfalls mal ausprobieren werden. Warum man uns ausquartierte? Nun, das hatte einen ganz besonderen Grund: Wir waren die Hundesitter. Laska und Ronja sollten in der Nacht ‚auswärts‘ schlafen und wir sollten sie dabei ein wenig im Blick behalten. Machten wir natürlich sehr sehr gerne!
Angekommen am Haus: Die Nachbarn beäugten uns etwas zu sehr, zumindest der Herr der Familie. Ob ihm das nicht so geheuer war, dass wir nebenan nächtigten? Nico verabschiedete sich und wir genoßen die Landschaft um uns herum. Für mich war es die perfekte Location für einen Stephen King Klassiker, indem uns der Nachbar mit einer Axt durch die Idylle scheuchte. Gruselig? Ein wenig! Dafür aber wunderschön! Also die Landschaft, nicht der Axtschwingende Typ von nebenan!
Kurze Zeit später machten wir uns zu Fuß zurück zum Gelände und meinte Nico nicht, dass wir so 20 Minuten bräuchten? Naja, wir brauchten definitiv länger, aber da das Wetter und alles passte, war das alles andere als ein Problem.
Im Gegensatz zum Morgen herrschte am Nachmittag doch etwas mehr Trubel und überall wuselten die Menschen und Hunde umher.
Mir kam es so vor, als wäre man auf Klassenfahrt und Esther und Nico die Aufpasser dieser Menschentraube. Egal was auch war, man konnte stets zu ihnen und bekam direkt ein offenes Ohr für alle Fragen und Anliegen geschenkt. Oder man bekam ein ‚Egal, egal!‚ entgegengeschmettert, was natürlich weniger nützlich, dafür aber umso lustiger und hirnloser war.
Man versammelte sich vor der Bühne. Die meisten saßen auf dem Rasen, manche an der Feuerstelle- egal ob Musiker oder Besucher. Und das war auch das wunderbare daran: Es herrschte eine familiäre Atmosphäre, jeder unterhielt sich mit jedem, ob man sich kannte oder eben nicht. Da gab es keinerlei Starallüren oder ähnliches, alles blieb auf einem Level.
Steven & Stanley betrat die Bühne. ‚Ach, da ist ja wieder der Freak von gestern Abend!‚ war wohl mein allererster Gedanke. Mein zweiter Gedanke war: ‚Er erinnert mich an Henning Neuser, der ebenfalls immer so ein breites Grinsen im Gesicht trägt und dabei so wahnsinnig sympathisch und offen rüberkommt!‚ Während er seine Songs spielte, fiel einen noch mehr auf, in welch schöner Umgebung all das stattfand. Das rote Haus im Hintergrund, hinter dem auftretenden Musiker flatterten die Buchstaben, die uns verrieten, dass wir uns genau JETZT und HIER beim Kaos Skola Festival befanden. Irgendwo in Schweden. Und wie liebevoll das alles organisiert und ausgeführt wurde.
Die Lieder von Steven & Stanley und kurz darauf von Nicole Carter Cash luden doch sehr zum Zurücklehnen ein, während Laska an meiner Seite genüßlich von irgendetwas träumte und sich nicht von Beifall oder Gitarrenspiel aufwecken ließ. Was mir noch besonders im Gedächtnis geblieben ist: Nicole und Steven teilten sich die Bühne. Nico lief an dieser vorbei und wünschte sich den Song ‚(Ronja) Hottehue‚ von Sirius, was die zwei sich natürlich nicht nehmen ließen und somit wurde das darin enthaltene ‚Egal, egal!‚ zum diesjährigen Schlachtruf des Kaos Skola ernannt.
Marcel Gein nahm danach die Gitarre in die Hand, brachte ein wenig den Chuck Ragan-Stimmenklang mit und fesselte uns damit regelrecht. Immer wieder erstaunlich, dass es wirklich nicht mehr braucht, um das Publikum in Trance zu versetzen und mit dem Hunger nach mehr zurücklässt. Aber das ist gut, denn so macht man sich in den Gedanken die Notiz, sich mehr mit Herrn Gein auseinanderzusetzen, wenn man wieder die eigenen vier Wände um sich hat.
Oh Lonesome Me folgten. 2 Mädels, auf die ich sehr gespannt war, denn mein Problem mit Frauenstimmen ist ja langsam schon bekannt. Aber was sie dort von sich gaben, ließ mich tatsächlich sprachlos werden. Sie wickelten einen direkt um den kleinen Finger und sorgten mit viel Charme und Witz für einen überragenden Auftritt. Gefühlvoll vorgetragene Songs, die zum leichten Mitwippen einluden. Reinhören, bitte!
Danach gab es eine kleine Essenspause (und hier muss man unbedingt erwähnen, wie lecker all die veganen Gerichte waren und besonders das Brot!).
Da sich die meisten bereits am Lagerfeuer versammelt hatten, kam Ben Barritt rüber und es folgte eine kleine Abstimmung, ob er am Lagerfeuer oder auf der Bühne spielen sollte. Die Mehrheit war klar für die Feuerstelle, da es doch merklich kühler geworden ist und man so an der wärmenden Quelle sitzen konnte. Während er Song um Song spielte, kam er mir auf der einen Seite zurückhaltend und höflich vor, auf der anderen Seite aber dennoch aufgeschloßen und mit dem richtigen Spruch zur richtigen Zeit auf den Lippen. Sein Auftritt hatte einen romantischen Touch an sich, Laska schien die passende Stille während und nach den Liedern viel zu langweilig zu finden und bellte zielsicher ins Nichts, bis sie am Ende ins Haus gebracht wurde. Strafe muss sein, ne?
Danach spielte wohl auch noch Tex ein wenig, was ich aber nicht wirklich mitbekam, da zu dieser Zeit eher eine Tattoosession im Wohnzimmer stattfand: Klick!
Wir trotteten im Anschluß mit den Hunden durch die Nacht und nur mit einer Taschenlampe bewaffnet. Welch ein Tag das war! Und somit auch kein Wunder, dass wir kaputt ins Bett fielen und ich hoffte, dass wir keinen nächtlichen Besuch vom Axtmann bekamen.
Fortsetzung folgt…
Kaos Skola
Steven & Stanley
Nicole Carter Cash
Marcel Gein
Oh Lonesome me
Ben Barritt
Ein Gedanke zu “‚Das Leben kann so einfach sein, wenn du es genießt.‘ Schwedische Idylle lud zum Verweilen ein.”