Nach unzähligen Schreibblockaden habe ich es endlich geschafft: Der Bericht über das Kaos Skola Festival 2015 ist geschrieben! Teil 1 konnte man sich bereits gestern durchlesen und hier folgt nun der zweite Teil, denn am Samstag spielten My Favorite Weapon, Tex, Gabriele Busse, Rodemann & The Klaeffs und Senore Matze Rossi im schwedischen Wohnzimmer!
Samstag, 24. Juli:
‚…und das ist für die Lieblingslieder…‘
Der Mörder von nebenan stellte in der Nacht dann doch kein Blutbad an, stattdessen wurden wir mehr als unsanft von Ronja, irgendwann kurz nach 6 (!!!) Uhr, durch lautes Gebelle aus dem Schlaf gerissen. Kurzes Sammeln der Gedanken war angesagt, eh man schnell die Jacken überwarf, die Schuhe anzog und die Leinen schnappte. Die Sonne schien erbarmungslos, welch ein wunderbarer Morgen. So stapften wir mit unseren Fellfreunden durch den Wald. Und muss ich nochmal erwähnen, wie friedlich und ruhig die Umgebung vor uns lag? Ich konnte tatsächlich sehr oft in diesen Tagen den Kopf abschalten, was mir sonst eigentlich so gut wie nie gelingt. Denn irgendetwas arbeitet immer dort oben, aber in Schweden? Da konnte man mal viele Gänge zurückschalten und wie gut das tat! Die große Gassirunde beendet, der Himmel zog sich langsam aber sicher immer mehr zu und man zweifelte sehr daran, dass das Wetter auch an diesem Tage auf unserer Seite stehen wird. Und es traf natürlich tatsächlich so ein: Hamburger Wetter!
Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen und lief irgendwann für fast eine gute Stunde durch den Regen- mit Joey Cape im Ohr. Am Vortag sind wir schon an der Abkürzung durch den Wald gescheitert, so probierte ich es erneut und nahm einfach die andere Abzweigung. Führte mich tiefer in den Wald, kehrte aber irgendwann doch um, eh ich mich noch vielleicht ganz in diesem Irrgarten verliere.
Durch diesen Wetterumschwung konnte man die geplanten Auftritte natürlich nicht mehr im Garten aufführen, somit wurde alles komplett ins wahnsinnig gemütliche und großräumige Wohnzimmer verlegt.
Den Anfang machten My Favorite Weapon! Nun, dieser Auftritt stand leider unter keinem guten Stern, denn die Technik machte den Jungs einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Hier und da gab es ratlose Gesichter oder ein Schulterzucken. Dabei sah es so herrlich aus, wie uns die gestandenen Männer dort an den Instrumenten ihren gewaltigen Sound um die Ohren hauen wollten- und das in Socken. Hohes Niedlichkeitspotenzial. Irgendwann versuchten sie es im Unpluggedstyle, aber die Technik zeigte sich weiter von ihrer schlechtesten Seite, sodass der Auftritt vorzeitig beendet wurde. Sehr sehr schade! Ich überlegte die ganze Zeit, an wen mich Julian nur erinnert und plötzlich kam ich drauf: An Deniz von Herrenmagazin! Beide haben ein ungeheuer starkes Singorgan und haben ein herzhaftes -und dadurch sehr ansteckendes- Lachen.
Die Bühne wurde für Gabriele Busse umgeräumt. Im Vorfeld hörte ich etwas bei ihr rein, war mir dennoch unschlüssig, ob das was für mich wäre. Sie fing an, erzählte viel, bevor sie einen Song anfing. Ab und an gab es Songs über Depressionen/Suizid. Nun, für mich kein einfaches Thema. Ich weiß, dass bei ihr viel Sarkasmus, schwarzer Humor, Ironie und einiges an Augenzwinkern mitschwingt, aber wirklich lachen konnte ich über dieses Thema nicht. Aus Gründen. Und weil sich dann doch der Kopf wieder einschaltete. Kurz gesagt: Meines war es wirklich nicht, dabei würde ich sie schon ein wenig mit Funny van Dannen vergleichen, nur eben in weiblicher Form. Das restliche Publikum schien aber Spaß daran zu haben, von daher kann ich für mich sagen: Laska bekam fast meine ganze Aufmerksamkeit geschenkt, lag sie doch so schön an meiner Seite.
Rodemann & The Klaeffs schnappten sich kurz darauf ihre Instrumente, es wurde laut! Die kleinen Punkrocker zeigten mal, wo der Hammer im Wohnzimmer hing, wodurch sich einige im Publikum angestachelt fühlten, aufsprangen und sich warm tanzten. Sah gut aus und machte mächtig Eindruck bei der Band. Abriss!
Mich zog es kurz an die frische Luft. Kaum hatte ich die Tür aufgemacht, überfielen mich Ronja und Laska, da hatte man wirklich kaum eine Chance zu entkommen. Aber schön, dass sich Matze bei diesem Anblick scheinbar köstlich amüsierte.
Der mächtige Tex folgte! Zugegeben: Mit seinen Songs habe ich mich vorher nicht wirklich auseinandergesetzt. Ich weiß aber noch, dass ich vor einigen Jahren mal bei einer TV Noir Sendung war. Zu Gast: ClickClickDecker. Konnte man sich nicht entgehen lassen. Tex überzeugte da schon mit seiner lockeren Art, grandiosen Interviews und Sprüchen. Jetzt sah man ihn beim Kaos Skola Festival in einem sehr kleinen intimen Rahmen. Ich war gespannt- und kurze Zeit später mehr als geflasht. Das Publikum war so ruhig und aufmerksam, dass all seine Songs dermaßen unter die Haut gingen und man sich dabei erwischte, wie man gedanklich immer wieder sagte: Tex! Hör bitte nie nie nie wieder auf zu spielen! Er griff zart in die Saiten, sang dabei so leise und gefühlvoll vor sich her, dass mir garantiert alle 10 Sekunden das Herz stehen blieb. Ich dachte auch: Gott sei Dank hat heute der Regen eingesetzt, denn hätte dieser Auftritt im Garten stattgefunden, wäre doch etwas verloren gegangen. Was ebenfalls sehr niedlich und witzig war: Am Anfang saß Ronja (dieses liebenswürdige Monstrum) genau in der Mitte vor Tex. Kaum wollte er anfangen, ergriff Ronja die Flucht. Mit den Worten ‚Hier wurde gerade ein riesen Platz frei!‚ verpasste er diesem Abgang die passende Würze und wir konnten alle herzlich darüber lachen!
Tja. Kommen wir nun zum geheimen Headliner der Herzen, oder? Ich weiß wirklich nicht mehr, wie oft ich in diesen Tagen gefragt wurde, wie ich überhaupt auf das Kaos Skola Festival aufmerksam wurde, aber meine Antwort war immer: Durch Matze Rossi! Und viele entgegneten mir mit einem lauten Lachen, dass es bei ihnen und bei vielen anderen auch der Fall gewesen wäre.
Nun. Ich habe in den letzten Jahren wirklich sehr sehr viel über Herrn Rossi geschrieben, sodass es tatsächlich von Mal zu Mal schwieriger wird die treffenden Worte zu finden und sich dabei nicht endlos zu wiederholen, was schon schwer genug ist. Nun sitzt man hier vor dem Laptop und denkt sich: F U C K I N G H E L L! Wie soll man einen perfekten Auftritt in wenigen Sätzen wiedergeben?! Vielleicht sollte ich doch langsam über ein anderes Hobby nachdenken? Etwas, was mir leichter fällt und nicht verzweifeln lässt? Quatsch! Musik ist und bleibt mein Ding. Mein persönlicher Zufluchtsort. Etwas, was mich immer auffangen und weitertragen wird.
In Schweden wurde es dunkler und dunkler, Matze griff sich seine Gitarre und legte los. Das Publikum saß verteilt auf dem Sofa, dem Boden oder auf dem Fensterbrett, vereinzelt stand man auch im Türrahmen. Hier und da wurden Kerzen aufgestellt, was eine besonders warme Atmosphäre erzeugte.
Relativ am Anfang haute er bereits einen Coversong raus, den er schon oft spielte: ‚Dancing on my own‚ von Robyn. Er dichtete es etwas um, sodass aus ‚dancing‘ ein ‚drinking‘ wurde, direkt danach folgte der Song ‚We are (not) fucked‚ seiner Punkband Bad Drugs. Oh, ich habe mich ja unsterblich in diese akustische Version verliebt, ne? Und wie toll es doch wäre, wenn die Bad Drugs beim nächsten Kaos Skola auftreten würden, oder? Oder?! Sag ich doch!
‚Ich hoffe dass du findest was du suchst‚ schloß sich fast nahtlos an. Ein Song, der alte Erinnerungen und Empfindungen ausgrub. Im Refrain bekam er tatkräftige Unterstützung vom Publikum, während er im Gegenzug seinen Gesang runterschraubte.
‚Ich lasse mir nichts mehr nehmen‚ widmete er Nico und Esther. ‚Ihr seid so großartig! Lasst euch das niemals nehmen: Eure Unbefangenheit und euren Mut, die Sachen durchzuziehen, für die ihr einsteht. Sehr bewundernswert! Danke dafür!‘ Und natürlich gab es einen dicken Applaus für die beiden. Mehr als verdient!
Es folgte ein nagelneuer Song, für den Matze extra einen Textspicker rauskramte. Er fing an zu spielen und mir stockte der Atem. Dieser Text ließ einen regelrecht sprachlos werden und die Augen versanken auch immer mehr im Nassen. ‚Wenn ich mal sterben muss und nicht mehr bin, sollt ihr zusammenkommen und ein paar Lieder für mich singen. All die Menschen, die ich je getroffen hab: Was für eine Vorstellung, gemeinsam an meinem Grab.‘ Puh, schweres Futter für Hirn und Herz. Die harte Kost gepaart mit einer prise Hoffnung und Zuversicht.
‚I will follow you into the dark‚, ein wahrer Klassiker von Death Cab for Cutie, den Matze wunderbar wiedergab und somit für verträumte Gesichter sorgte.
Eines meiner Highlights folgte kurze Zeit später: ‚Von Holzschwertern‚ Denn dieser Song funktioniert wirklich nur, wenn die Menschen aufmerksam zuhören, denn jedes einzelne Gespräch im Publikum würde es regelrecht zerstören und wie ein Kartenhaus einstürzen lassen. Ein Lied über und für seine Kinder. Ein liebevoller Vater, der zu jeder Zeit für seinen Nachwuchs da war und in Zukunft auch sein wird. Komme was wolle! Und wie sehr ich diese lauter werdende Stimme am Ende des Liedes liebe!
‚Ich: Idiot auf meinem Hügel‚ widmete er Nico, Esther und mir und erinnerte an die Nacht zuvor, als die Tattoosession im Wohnzimmer stattfand. Da kann man mal sehen, was aus einer anfänglichen Schnapsidee alles werden kann. Danke für’s Mitmachen, Matze!
Gefreut habe ich mich auch sehr über ‚Dein Elefant‚, der vor der Reise nach Schweden bei mir in Dauerschleife lief und ich bei vielen seiner Auftritte bereits vermisste.
‚Oh my my my‚, ein erneuter Bad Drugs Hit hatte sich in die nicht vorhandene Setlist geschlichen! Verpatzer gepaart mit einem minimalen Anflug eines Lachanfalls. Herrlich! Cheesy Lovesong eben!
Scheinbar kramte er sich KREUZ und QUER durch sein angehäuftes Repertoire, denn auch all die älteren liebgewonnen Stücke erhielten einen Platz in der Reihe und so kam man in den Genuss von ‚Beste Waffe‚, ‚Unverwundbar‚ oder ‚Geist‚. Ansonsten kann man sagen, dass er auch an diversen Coverstücken seinen Spaß hatte: Ob nun von Robyn, Knochenfabrik, Hot Water Music, Death Cab for Cutie oder sogar Young Rebel Set– es dürfte tatsächlich für jeden etwas dabei gewesen sein!
Der Auftritt von Matze dauerte über zwei Stunden, aber genug konnte man noch immer nicht bekommen. Für mich war es tatsächlich das allerbeste Konzert von ihm, was ich bisher sah. Warum? Nun, man merkte, dass all die Menschen, die den weiten Weg zum Festival auf sich nahmen, für die Musik gekommen sind und nicht nur, um sich vielleicht sinnlos zu besaufen. Egal, welche Band oder welche/r Musiker/in auch immer auftrat: Es wurde zugehört, man brachte sich gegenseitig den nötigen Respekt entgegen. Man konnte viel Spaß haben, aber auch gleichzeitig gemeinsam in der Musik versinken. Es war ein regelrechtes Geben und Nehmen auf allen Seiten zu spüren. Bis heute kann man es nur sehr schwer Freunden/Familie/Bekannten erklären, was man dort erlebte und was diese Tage mit einen angestellt haben.
Bleibt zu hoffen, dass uns das Kaos Skola Festival noch viele weitere Jahre erhalten bleibt und wir uns erneut als Hundesitter bewerben können!
Vielen vielen Dank an Esther, Janosch und Nico, die uns alle von Anfang an so wunderbar in ihre Familie aufnahmen, uns betüdelten und bespaßten! Es ist schön, dass es euch gibt!
Wir sehen uns alle im Jahre 2016 in Schweden wieder, stimmt’s? Oder doch nicht? Egal, egal!
Kaos Skola
Tex
Rodemann & The Klaeffs
My Favorite Weapon
Gabriele Busse
Senore Matze Rossi
Hard To Port
Ein Gedanke zu “‚All for one and one for all!‘ Was beim Kaos Skola Festival passierte!”