Der anbrechende Herbst lässt die Nacht schneller über uns hereinbrechen. Das Aufstehen am frühen Morgen fällt schwerer, da die aufgehende Sonne, an die man sich in den letzten Monaten so sehr gewöhnt hat, einen nicht mehr fröhlich aus dem Bett kickt. Stattdessen wirft die Dunkelheit ihren schweren Mantel über den geschwächten Körper und stößt uns weiter in die Richtung des schwarzen endlosen Loches.
Einige in meinem Umkreis haben jetzt schon leichte Furcht vor der bevorstehenden Winterdepression. Dabei huscht mir immer ein kurzes Grinsen durch’s Gesicht und mein Gedanke in diesem Moment: ‚Nun, ich wäre froh, wenn sich die Depression bei mir nur auf diese Jahreszeit beschränken würde.‘ Aber egal wie und in welchem Umfang: Alles doof!
Ich bin Fan vom Herbst und Winter. Warum? Ganz einfach: Man kann sich nun ohne schlechtes Gewissen nach der Arbeit auf die Couch begeben. Kerzen anzünden, Tee trinken und den Schallplattenspieler quälen. Man kann sich besser auf die Musik konzentrieren, neue Bands und Alben auschecken, während die lodernden Flämmchen kuriose Schatten und flackernde Lichtreflexe an die Wände werfen. Für kurze Zeit einfach nur ruhig atmen, den Puls runterfahren, mindestens 3 Gänge zurückschalten und lähmende Gedanken in den imaginären Papierkorb verbannen.
Für solche Abende gibt es natürlich auch die passenden Soundtracks, so kann ich euch zum Beispiel das neue Werk von Nicole Carter Cash namens ‚Was kommt, geht und bleibt‚, welches am 25. September erschien, sehr ans Herz legen!
‚Hey Jasmin, hättest du Lust über mein Album zu schreiben?‚ hieß es eines Tages. Für mich manchmal schon ein Rätsel, dass man ausgerechnet mich das fragt, da ich nun wirklich nicht wirklich talentiert darin bin ein Album auseinanderzunehmen, so wie die Zombies, die sich über ein neues noch lebendes Opfer hermachen. Oh, ich muss mich mal wieder von The Walking Dead berieseln lassen. Moment, wo war ich stehengeblieben?
Nicole Carter Cash! Nun, ich überlegte nicht lange, da mir ihr Auftritt beim diesjährigen Kaos Skola Festival doch sehr gefiel und ich irgendwie neugierig auf die 10 Songs war.
Bereits beim zweiten Lied ‚Endlosschleife‚ kam mir eine vertraute Stimme entgegen, und zwar die von Steven(& Stanley). Doch, das harmoniert. Die zwei scheinen mir so unzertrennlich wie Bud Spencer und Terence Hill, Pinky and the Brain oder Bart und Milhouse.
‚Und die Lethargie wird zur Euphorie und die Ungewissheit kurz mal Geschichte…‘
Ja, ich gebe zu: Beim allerersten Hördurchgang kam ich tatsächlich nur bis Song Nummer 4: ‚5 Monate‚. Play. Durchlaufen lassen. Ende. Schade. Play. Durchlaufen lassen. Ende. Doppelschade. Play. Durchlaufen lassen. Ende. Einmal geht noch. Play. Durchlaufen lassen… Welch Ohrwurmpotenzial dieses Lied hat!
Zeilen über Freundschaften. Ob zerbrochene, angeknackste oder neugewonnene: Man findet sich wieder, denn wer fragt sich nicht manchmal, ob es mittlerweile auf Einseitigkeit beruht, man dem anderen überhaupt noch in irgendeiner Art und Weise wichtig ist. Aber wenn selbst mal die dickste Verbundenheit in Schall und Rauch aufsteigt und verpufft, weiß man ganz genau, dass es da draußen noch Menschen gibt, die einen mögen, gerne die Zeit mit einen zusammen vertrödeln und einfach da sind, wenn die Not am allergrößten ist.
Achja: Mr. ‚Irgendwie hat er scheinbar überall seine Finger im Spiel und das ist auch gut so!‘ Senore Matze Rossi wirkt bei diesem Song mit und verleiht dem Ganzen die perfekte Abrundung.
‚Für mich kamst du rechtzeitig nicht zu spät in mein Leben. Und während sich andere viel zu selten melden und Spuren im Schnee vergehen…‘
‚Wie Mensch ärger‘ dich nicht‚ geisterte bereits schon eine Weile vorher im Netz rum und welch wunderbare Bilder im Kopf beim Hören hervorgerufen werden. Denn man stelle sich das doch nur mal vor, dass das Leben wie eines der beliebtesten Brettspiele wäre: Da wird man aus dem Leben eines anderen geschmissen- völlig unerwartet und schon beginnt alles von vorne. Oder die Unterstützung von Außen, um an das eigentliche Ziel zu kommen. Pläne und Strategien entwickeln. Den nächsten Schritt durchdenken. Fehler machen und daraus lernen. Neue Überlebenskünstler kennenlernen und den alten Weggefährten den Rücken stärken.
Ja, ich habe mich mit dem Album angefreundet. Es kommt unaufgeregt daher und spricht konsequent Wahrheiten über das (manchmal große Mysterium namens) Leben aus, mit all seinen verschiedenen Facetten und plötzlichen Veränderungen und Ereignissen.
Ich muss aber auch sagen, dass ich ‚Was kommt, geht und bleibt‚ wahrscheinlich nicht in jeder Lebenslage und Stimmung hören kann, weil es mich in manchen Momenten einfach zu sehr runterziehen würde, weil eine gewisse Melancholie mitschwingt. Aber das ist gar nicht schlimm, denn so geht es mir ebenfalls mit Gisbert zu Knyphausen oder Niels Frevert und so werden gewisse Platten zu ‚besonderen Anlässen‘ rausgekramt. Vorteil daran: Man hört sich daran nicht über, stattdessen kann man sich immer wieder auf’s Neue dafür begeistern.
Und ein schöneres Kompliment kann es doch gar nicht geben, als auf einer (Regal)Stufe mit Knyphausen und Frevert zu stehen, oder? Eben!
Deswegen: Reingehört da & Nicole Carter Cash ins musikalische Herz schließen! Wer BOCK auf das Album hat, der schreibt ihr am allerbesten eine Nachricht über Facebook (Klick!) und wickelt da relativ unkompliziert die Bestellung ab. Die Scheibe kostet euch einen lächerlichen Zehner -plus 2 Euro Porto. Ist echt nix, ne? Also zugreifen, büdde!
Zum Schluß beantwortete die Dame ein paar Fragen und schrieb zu jedem Song die eine oder andere Zeile. Vielen Dank dafür!
Coverartwork: Wer war dafür verantwortlich und warum ist es gerade ein Wolf geworden?
Das war ein Freund von mir, Aaron von Comatose Design. Wir sind früher zusammen zur Schule gegangen und haben uns dann irgendwann in Berlin wiedergetroffen. Ich habe mich in das Design und den Wolf verliebt, als ich es unter den available artworks auf Aarons Website sah. Ich finde dieses Tier im übertragenen Sinne sehr passend zum Albumtitel. Der Wolf als umherstreifendes Tier, das kommt, geht und eben doch in seinem Revier bleibt oder dahin zurückkehrt. Außerdem hatte der Wolf als Ur-Hund nochmal einen Doppelbonus (…Hunde sind großartig!!!).
Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube mich daran erinnern zu können, dass du mal geschrieben hast, für eine Weile eine musikalische Pause einzulegen. Wie kam dieser Entschluß zustande und was hat dich dann doch wieder vom Gegenteil überzeugt?
Das ist richtig. Diese Entscheidung war sehr komplex und hatte mehrere Gründe. Zum Einen hatte ich aufgrund eines traurigen Ereignisses etwa 9 Monate lang eine komplette Kreativ-Blockade und wusste nicht, wie lange diese noch andauern würde. Zum Anderen taten sich in diesem Zuge teilweise auch Selbstzweifel auf, ob das was man macht „gut genug“ wäre. Dieses Denken konnte ich dann aber recht bald ablegen. Gedreht hat sich mein Entschluß tatsächlich durch das Kaos Skola Festival in Schweden. Einmal durch das Feedback, dass ich bekommen habe und auch durch die Aussage eines Matze Rossis, der dann sagt, dass er findet dass ich ein Talent zum Songschreiben habe. Das hat mich umgehauen und nochmal zum Nachdenken gebracht. Und dann habe ich auf der Bühne und während des ganzen Wochenendes einfach gemerkt: „Hey, du kannst gar nicht aufhören oder dir das überhaupt vorstellen. Das hier ist deine Leidenschaft und macht dir so unglaublich viel Spaß. Du willst es teilen. Du kannst es einfach nicht lassen. Niemals.“ Kurze Zeit später konnte ich wieder schreiben.
Bei den Songs ‚5 Monate‘ und ‚Endlosschleife‘ hast du dir Unterstützung ins Haus geholt: Erzähl uns doch mal, um welche Herren es sich dabei handelt, wie es dazu kam und warum du dich gerade für diese Musiker entschieden hast!
Bei „Endlosschleife“ bekomme ich Unterstützung von einem langjährigen sehr guten Freund: Steven (von Steven&Stanley). Wir machen einfach unfassbar gern Musik zusammen. Wir haben schon mal einen Song zusammen gemacht, den wir auf sein erstes Album gepackt haben. Also machten wir noch einen. Ich schrieb den Text, Steven Melodie&Akkorde und so schufen wir die Endlosschleife. Matze würde wohl sagen: Dreamteam.
Bei „5 Monate“ leihte mir eben dieser (also Matze Rossi) seine zweite Stimme. Nachdem ein Träumchen von mir erfüllt wurde, als Matze mich fragte auf seinem Album zu singen dachte ich – wieso denn nicht auch andersrum? Matze hat große Mitschuld daran, dass ich Musik mache. Er hat mein Leben mit seinen Texten schon lange und intensiv begleitet. Außerdem mag ich unsere Stimmen zusammen sehr und auch wenn ich echt nicht wusste, was er sagen würde, dachte ich einfach: Egal, egal! „Du bist was du dich traust. Du wirst was du dich traust.“ (Um hier textlich gleich mal aus dem Song „Ich: Idiot auf meinem Hügel“ zu schöpfen.) Aber es ist wahr! UND er hat ja gesagt! UND ich liebe es!
Wie würdest du dein Album mit nur einem Satz beschreiben?
Ein Abriss vom großen Film „Leben“ mit all seinen Veränderungen, Rückschlägen, Freundschaften und dem Soundtrack, der darin gespielt wird.
Ein paar Worte über die vergangene Record Release Show in Berlin?
Großes Familientreffen. Herzmenschen. Aufmerksamstes Publikum aller Zeiten. Ein warmes Gefühl. Ein Grinsen, dass nicht mehr aus dem Gesicht weicht. Lieblingskonzert.
Zum Schluß zu jedem Song ein paar Zeilen!
Freundin Melancholie
Die Melancholie ist nicht immer das Biest, das einen herunter zieht und betrübt. Melancholische Momente können ebenso sehr eindrucksvoll und intensiv sein und man kann aus ihnen viel ziehen und etwas aus ihnen entwerfen. Ich sehe die Melancholie als eine Art Partnerin.
Endlosschleife
Ungewissheiten, die sich nicht auflösen. Gedanken, die gefesselt sind und die man längst nicht mehr steuern kann. Resignation auf halber Strecke, um dann doch wieder Hoffnung zu fassen, selbst wenn man nie weiß, ob sie am Ende doch an ihrer optimistischen Haltung stirbt.
Was wir werden
Gedanken übers leben und vergehen. Über Vergangenheit und Gegenwart. Menschen nicht zu vergessen und gleichzeitig versuchen zu erkennen, dass alles noch einen Sinn hat und es in Ordnung ist noch genau hier auf beiden Füßen zu stehen.
5 Monate
Freundschaften bestehen Jahre und können sich sehr lösen. Freunde lassen sich von Job oder Beziehungen so sehr ablenken, dass sie sich kaum noch bei dir melden und eure Leben plötzlich völlig aneinander vorbei laufen und auseinander driften. Du fragst dich wieso nur du um dieses mal eng geknüpfte Band kämpfst. Gleichzeitig lernst du Menschen kennen, die dir innerhalb kürzester Zeit so ans Herz wachsen, wie niemand sonst. Dinge, die Bestand haben. Menschen, die dich verstehen. Konstanten, die bleiben.
Nicht mehr als das
Der Taumel und das einlullende Gefühl auf Konzerten deiner LieblingsmusikerInnen. Alles ist für einen Moment gut. Plötzlich gibt es nur diesen Raum, in dem man mit den ganzen anderen Menschen steht. Nichts anderes mehr. Das ist versinken in Musik.
Mistaking Sunday
Es gibt Tage, an denen kommt eines zum anderen und du denkst dir nur: will mich hier jemand auf den Arm nehmen? Was soll das, Universum? Murphys Gesetz. Gnadenlos.
Stereofonie
Manchmal versteht man bei einigen Entscheidungen die Welt nicht mehr. Wenn Rationalität und Vernunft die Gefühle besiegen und der Verstand dem Herzen den Gar ausmacht. Dabei wäre es so schön und einfach, hier und jetzt in stereo.
Ripped String
Was tut man, wenn eine der wichtigsten Personen im Leben nicht mehr da ist, und man einfach nichts dagegen tun kann? Also rein gar nichts. Man kommt an einen Punkt, wo man sich nicht mal eine Sekunde vorstellen kann, dass sich das Leben wieder komplett anfühlen könnte. Als würde man auf einer Gitarre spielen, der eine Saite gerissen ist. Mitten im Song. Sie wird nicht mehr komplett klingen. Doch trotzdem spielst du den Song zu Ende. Trotzdem lebst du weiter. Ein abgebrochener Song ist wie eine abgebrochene Kinovorstellung, wie ein nicht fertig geschriebenes Buch…das lohnt sich nicht.
Wie Mensch ärger‘ dich nicht
Dieser Song entstand aus einem Gespräch mit einer engen Freundin. Das Leben als Brettspiel. Losgehen, hinfallen, zurückkehren, weitermachen. Am Ende geht’s doch ums Ankommen. Oder etwa nicht?
Was kommt geht und bleibt
Die Einen sehen über ihren Tellerrand, genießen ihre Zeit. Kein Trott und keine verhasste Arbeit rafft sie hin, sondern sie beschäftigen sich mit den Dingen und den Menschen, für die sie brennen. Diese Einen beschäftigen sich mit dieser Welt und mit ihrer Veränderung. Die anderen sind ignorant oder geben auf. Aber nicht mit uns.
Nicole Carter Cash
Kaos Skola
Steven & Stanley
Senore Matze Rossi
Comatose Design