Wenn mich mal jemand in der früheren oder späteren Zukunft am Sterbebett fragen würde, welche Momente die allerschönsten in meinem Leben gewesen sind, dann würde das Kaos Skola Festival garantiert in meiner persönlichen Top 5 landen! Ich glaube, dass das bisher mein kürzester Einleitungstext war, den ich in den ganzen Blogjahren hervorbrachte und wenn ich ehrlich bin, dann möchte ich diesen Satz einfach ganz alleine so stehen lassen. Diejenigen, die ebenfalls mit in Schweden waren, werden es verstehen, aber für euch Leser, die ihr es leider in diesem Jahr nicht dort hin geschafft habt, werde ich minimal ausholen. Ha, da musste ich ja nun fast selbst drüber lachen: Ich und minimal. Der war gut, ne?
Ein Festivalbändchen bekam ich bereits im Dezember von Esther und Nico in die Hand gedrückt, als man in einer Bar in Schweinfurt verweilte und irgendeiner Band beim Soundcheck zuhörte, eh es Richtung Stattbahnhof ging. Und 3x dürft ihr raten, was ich am Ende NICHT in der Reisetasche hatte: Genau, das besagte Bändchen! Letztes Jahr vergaß ich dafür meine EC- Karte und IRGENDWAS IST JA SCHLIEßLICH IMMER!
In Linköping endlich aus dem Zug gefallen, denn eine Sache konnte ich nach über 9 Stunden wirklich nicht mehr: sitzen! Gut, dass es danach noch über eine Stunde mit dem Auto durch die Prärie ging und Esther zwischendurch fragte, ob sich denn schon der Hunger gemeldet hat. Gutes Wetter empfing uns und sollte uns tatsächlich in der einen Woche nicht mehr verlassen. Ich glaube dass man das Sommer nennt, wenn man sich freut, dass die Sonne scheint und die Wolken sich wie ein ständig änderndes Gemälde gemächlich tragen lassen. Wenn man auf eine angenehme Art und Weise schwitzt, die Klamotten am Körper kleben und man leise flucht, weil man keine Sonnenbrille besitzt, aber dafür umso glücklicher darüber ist, dass man das Deo eingepackt hat. Immerhin!
Klingt vielleicht seltsam, aber wenn man diese lange Einfahrt hinauffährt, ist es so, als würde man direkt daheim ankommen. Kaum hat man das Eingangstor berührt, schon tauchen Erinnerungen an das letzte Jahr auf. Dieses familiäre Gefühl welches einen sofort erneut anspringt und fest umklammert- ebenso wie die Hunde, die einen plötzlich zu dritt zu Boden schmeissen wollten. Welch gemeiner Hinterhalt das war!
Einige Zelte standen bereits für die Carefree Menschen bereit, ansonsten herrschte noch die berühmte Ruhe vor dem musikalischen Sturm. Die Tage von Montag bis Mittwoch verbrachte man entweder stillschweigend am benachbarten See oder mal mit kleinen Vorbereitungen. Zwischendrin zog man rüber in ein kleines Ferienhaus. Wenn ich vor dem Bett stand, kippte ich auch regelmäßig nach vorne, weil ich ständig vergaß, dass das Haus einfach eine Schieflage besaß, aber an diesem einen Standpunkt hatte ich halt Netz! Somit konnte ich die Sache mit dem Gleichgewicht üben, während ich irgendwelche News laß. Wie war das noch gleich? Achja: Multitasking! Ich besitze also doch ein Talent. Ha! In einem schiefen Haus auf’s Smartphone glotzen und dabei nicht umzufallen kann eben auch nicht jeder!
Donnerstag. Oder auch: ‚Fuck! Heute trudeln die meisten Leute ein! Action!‘ Am Vormittag wuselten wir wild durch die obere Etage, um alle Betten für die singende Bevölkerung vorzubereiten und alles in Ordnung zu bringen. Hieß eigentlich nur: Staubsaugen und Wasser/Chips Richtung Backstage/Lounge zu tragen. Irgendwie verteilten sich die Aufgaben für die Helfer wie von alleine: Paula und Sofia waren für die Küche eingeteilt, Jess war Pressetante, Küchenspringer und überhaupt und ich kümmerte mich an diesem Tag um die Neuankömmlinge, machte kleine Führungen über das Grundstück und durch das Haus und prompt zog ich mir einen Sonnenbrand zu. Yeah! Immer mehr Menschen trudelten ein, ich versuchte mit der ganzen Bändchenausgeberei hinterher zu kommen. Aber ich freute mich zwischendrin wirklich sehr darüber, ganz ganz wunderbare Menschen in die Arme schließen zu können: Matze Rossi, Tigeryouth, John Allen, Steven (&Stanley), Herr Lehmann, Herr Zille, Sven Hoppmann, Carina, Leo, undundund.
Die ersten Biere verteilte ich an die MarcelGeinHowILeftTruppe, die wohl die allerlässigsten Typen auf dem Grundstück waren und auch kurz versuchten über Wein zu fachsimpeln, aber irgendwie war es eher ein ‚Ich weiß auch nicht so wirklich!‘ Gespräch, was an Niedlichkeit ja schon kaum mehr zu übertreffen war! Und wo ich gerade schon bei How I Left bin, muss ich noch ganz kurz etwas erwähnen: Schlagzeuger Michy ist mir tatsächlich sehr ans Herz gewachsen, auch wenn es eher ein kurzer Aufenthalt der Herren war. Aber kennt ihr solche Menschen, die einen Raum betreten und man direkt von einer angenehmen Wärme durchflutet wird? Ja? Solch ein Typ ist Michy: Herzlich, offen und immer einen Spruch/ein Lächeln auf den Lippen, ein angenehmer Zeitgenosse, der einen auch ohne viele Worte das Gefühl vermittelte, dass alles gut ist und sich somit der Pulsschlag verlangsamte und man mit neuem Schwung zurück an die anfallende Arbeit gehen konnte. Gute Zeit. Guter Typ!
Der Tag neigte sich dem Ende zu, ebenso wie das Bier. Also. Langsam! Wir fielen spät ins Bett…
…und standen früh auf, da das Frühstück vorbereitet werden wollte. Nicht nur die Gäste fanden das super, sondern auch die Wespen, die leicht aufdringlich nach Aufmerksamkeit suchten und auch fanden. Fast jeder bekam es mit mindestens einer Kampfwespe zutun, sodass man danach in die Küche eilte, um sich eine halbe Zwiebel oder eben Essig zu besorgen, um die leicht schmerzende Stichstelle zu beruhigen.
And:i eröffnete gegen 12.30 Uhr das Festival und ich- bekam von vielen Auftritten leider nichts mit. Außer als ich mich um den Merchaufbau kümmerte und ein paar ruhige Minuten zum Verschnaufen fand. Ansonsten sprang ich von a nach b und wieder zurück, lief Treppen rauf und runter. Hielt an, wenn jemand ‚Jasmin!‘ rief, machte erneut kurze Rundgänge mit Leuten und sabbelte irgendwas von Dusche/Toiletten/See. Solange, bis man selber schon im Kopf etwas neblig wurde und man nicht mehr wusste, ob man nun alles erwähnt oder die Hälfte vergessen hatte. Die Sonne brachte uns alle zum Schwitzen und zum Kapitulieren. Selbst der große bärtige Typ, der samt Frau, Kindern, Hunden und der Katze anreiste, schwang irgendwann das weiße Tuch und verschwand im Schatten.
Während And:i, Andi Solo, Marcel Gein, Kinga Dula, Mates, Andreas Liebert und Herr Lehmann spielten- bekam ich davon leider fast nichts mit. Außer, wenn ich mal nach draußen sprang oder die Musik Richtung Küche drang. Nach der Essensausgabe wurde fleißig gespült, bis ich aber auch mal vom Tag die Schnauze voll hatte und mir sagte: So, ich gehe mir jetzt definitiv Freddy Fudd Pucker ansehen! Gesagt, getan. Obwohl: Ich saß keine zwei Minuten und schon kam Nico auf mich zu: ‚Da hinten sind neue Leute gekommen…‘ Und schon war man wieder im Arbeitsrhythmus und unterhielt sich gut mit einem älteren Ehepaar aus der Nürnberger Ecke. Den Rest des Auftrittes sah ich mir aus der Lagerfeuerecke an und genoß kurzzeitig die Ruhe.
Danach nahm ich mir auch die Zeit für die Lieblingsmenschen Tigeryouth und John Allen, die ich sonst leider nur viel zu selten sehe. Es war so schön, dass man die ganze Zeit von solchen lieben Menschen umgeben war, hier und da entwickelten sich kurze oder längere Gespräche, es gab reichlich Umarmungen an jeder Ecke. Es wurde viel gelacht, es war ein so friedliches Miteinander. Warum ist das in der restlichen Welt so verdammt schwer? Miteinander auszukommen? Verschiedene Religionen und Kulturen zu akzeptieren? Wo ist eigentlich die Menschlichkeit geblieben? Die Liebe? Stattdessen bekommt man fast täglich neue Kotzattacken, weil ein unerträglicher Terror wütet und sich die Menschen langsam gegenseitig versuchen auszurotten. Überall werden ekelhafte Hetzkampagnen geführt, dunkelhäutige werden von Bullen abgeknallt, grausame Anschläge beenden täglich unschuldige Leben. Einfach so. Es macht alles nur noch traurig und wütend. Deswegen war dieses Festival ein wahrer Segen für die Seele und für das Herz: Da fanden Leute zusammen, die sich vorher vielleicht noch nicht kannten oder eben über 3 Ecken. Egal, denn es fühlte sich an wie eine riesige Familie. Man spürte einen wahnsinnigen Zusammenhalt. Jeder achtete auf seine Mitmenschen, wie so ein unsichtbares Band, welches sich um sämtliche Beine schmiegte und alles in Form hielt. Deswegen war es auch kein Wunder, dass es an jeder Ecke mindestens ein Aww-Moment gab. Und außerdem kam auch noch Jawknee Music an, das war dann auch schon ein extra ‚Aww!‘ wert!
Kurze Nacht. Erneut Frühstücksvorbereitung. Auch an diesem Tag bekam ich tatsächlich nicht ganz so viel mit. Casey schaute ich mir an, weil mir ihre Stimme sehr gut gefällt, außerdem NATÜRLICH die junggebliebenen Boys von How I Left, die mit der Schlagzeuguntermalung eine schöne Abwechslung boten. Luminescent und Steven bekam ich eher am Rand mit, aber bei dem Cover von Muff Potter hatten mich die 2 direkt gehabt. Danke dafür! Für Jawknee Music nahm ich mir die Zeit, obwohl ich auch desöfteren aufsprang, weil irgendwas war. Aber welch grandioser Typ und Musiker und wir wollen hier nochmal festhalten, dass wir irgendwann eine so passende Interviewidee für Jawny hatten und hoffen einfach mal, dass wir das noch in diesem Jahr hinbekommen werden. Auf jeden Fall wird er sich nicht mehr aus der Affäre ziehen können, ha! Obwohl, vielleicht hätte er uns die Zustimmung doch in schriftlicher Form geben sollen, oder? Wir machen das schon. WIR MACHEN DAS SCHON, liebe Freunde!
Zuletzt spielte Headliner Matze Rossi. Das Publikum hing an seinen Lippen und ich nutzte die Zeit, weil ich aus irgendeinem Grund nicht wirklich zur Ruhe kam, um endlich etwas zu essen. Yeah! So pendelte ich mal von der linken auf die rechte Seite, saß kurzzeitig hinten an der Lagerfeuerstelle, befand mich mal in der Küche, mal auf der Bank vor dem Haus. Irgendwas in mir rief immer nach Aufbruch. Dieses innere Pendeln. Hat man manchmal, oder zumindest ich. Ein schöner Auftritt, der mit einigen Gastmusikern, wie Nicole, Captain’s Diary oder Tigeryouth abgerundet wurde. Und außerdem gab es viele Lieblingslieder zu hören, danke nochmal für den Spinnersong! Internetherz!
Am Lagerfeuer versammelte man sich danach, einige spielten noch Songs, ich packte den Merch ein, weil Aufbruchstimmung. Eine kurze Nacht folgte, der Sonntag war großer Abreisetag. Man fiel sich in die Arme, Poster wurden signiert (lasst mich bitte nie irgendwas signieren, ich schreibe immer nur BLÖDSINN rauf!), überall wurden mehr als liebe Worte ausgetauscht. Das Herz bekam nach jedem einzelnen Abschied einen weiteren Riss dazu, denn man fragte sich: Wo ist nur die Zeit geblieben? Sie verging wie im Fluge! Neue Bekanntschaften wurden geschloßen, alte Freundschaften wurden entkalkt und aufgefrischt.
Man fühlte sich gut, obwohl man total fertig war. Ich für meinen Teil konnte wahnsinnig viel aus diesen Tagen mitnehmen und verankern. Aber ich muss auch sagen, dass ich es vermisse, seitdem man abgereist ist. All die Menschen. All die unberührte Natur. Den See. Die Musik. Die Hunde. Die Gastgeber. Nächtliche Märsche durch den Wald. Das schiefe Ferienhaus. Einfach alles.
Kaos Skola Festival 2017? Ich komme wieder!
Danke an alle für eine unbeschreibliche Zeit!