Es gibt Tage, die möchte man am liebsten komplett aus dem Gedächtnis streichen. Weil sie zerstörerische Auswirkungen haben oder hatten, eine tieftraurige Nachricht die eigene kleine Welt erschütterte, oderoderoder. Da gibt es ja wirklich unzählige Gründe. Aber Gott sei Dank trifft auch oft das genaue Gegenteil ein: Tage, die man für immer im Herzen behält.
Genau solche Tage durfte ich in der letzten Woche erleben, als ich am Mittwoch in den Zug stieg und Stunden später in Wiesbaden strandete. Während es im Norden regnerisch und kalt war, begrüßte mich diese Stadt mit strahlendem Sonnenschein und einer zarten Frühlingstemperatur, welche die Seele zum Baumeln einlud. Wiesbaden, idyllischer Charme, stets eine Reise wert.
Mit meiner neugewonnenen Zimmergenossin Jo Bouwmeester, welche bei der Pop Punk Band Coral Springs singt und bei der Minitour von Chuck bei einigen Songs an Geige und Gesang unterstützte, ging es kurz nach dem Einchecken wieder raus aus dem Zimmer, um eine Kleinigkeit zu essen. Jo, ohne Witz- mir ist das jetzt erst wieder eingefallen, dass ich dir noch 4,50 Euro (glaube ich) schulde. Bei unserem nächsten Treffen lad ich dich auf eine Suppe oder Pizza ein. Deal? (Jo, only for you: Video!)
Kurz darauf ging es für die Reisegruppe Ragan in die Busse und was soll man sagen- für einen eigentlichen Weg von nur einigen Minuten stand man erstaunlich oft im Stau rum. Matze fand natürlich wieder auf Anhieb den perfekten Parkplatz (wie schafft dieser Mann das immer nur?), waren somit zuerst vor Ort und betraten die Ringkirche. Ich selbst war noch nie da, aber dieses eindrucksvolle schöne Gebäude sorgte für Sprachlosigkeit. Erst recht als sich Matze direkt seine Gitarre schnappte und anfing zu spielen. Dieser ungefilterte Sound, der durch die Bänke waberte, ließ in mir eine ungefähre Vorstellung in den Kopf schnellen, wie es nur wenige Stunden später erklingen wird, wenn rund 600 Leute vor der Bühne sitzen werden, um dieses fantastische Konzert zu erleben.
Die zweite Reisegruppe trudelte ein, sämtlicher Merch wurde ausgeladen und einmal quer durch die Kirche getragen. Übrigens: Thomas, Mercher von Chuck, ist mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Ein sympathischer, ruhiger und angenehmer Zeitgenosse, mit dem ich mir sehr gerne den kleinen Vorraum teilte.
Soundcheck. Matze, Chuck und Jo auf der Bühne. Best Friends wurde angestimmt. Ich ließ mich in der hintersten Reihe nieder. Mir kamen direkt sämtliche Tränen in die Augen, weil es so unfassbar ergreifend war und auch wenn es für viele jetzt komisch klingen wird: Aber ich war und bin mir noch immer sehr sicher, dass Wauz in diesem Moment auch mit in der Kirche saß.
Die dortige Crew wuselte unaufgeregt umher, jeder wusste genau was er oder sie zutun hatte. Alles schien so unglaublich familiär, dass es direkt das Herz erwärmte und man sich nach nur wenigen Sekunden pudelwohl fühlte. Diese lockere Atmosphäre ließ den ganzen Ballast der letzten Tage und Wochen vergessen und so konzentrierte man sich mit Vergnügen auf das Hier und Jetzt.
Die Türen wurden Punkt 20 Uhr geöffnet, die Leute flogen im Sekundentakt nur so an mir vorbei, um sich natürlich die besten Plätze sichern zu können. Der Einlass lief ohne Probleme und schnell waren auch die meisten Personen in der Kirche verstaut worden und somit waren alle bereit, Matze Rossi um 21 Uhr zu begrüßen.
Ja, ich habe wirklich schon viele Konzerte von ihm gesehen, aber an die Auftritte in der Ringkirche kommt wirklich nichts ran! Während ich ganz hinten stand, sämtliche Daumen drückte, spielte er sich schnell in sämtliche Herzen. Durch seinen gewohnten Lausbubencharme, unerwarteten Sprüchen und Mitsingparts, die das letzte Eis auch noch zum Brechen brachten, konnte er seinen Auftritt direkt unter ‚Erfolg auf ganzer Linie‘ verbuchen. Das Publikum war unglaublich aufmerksam und respektvoll. Kein unnötiges Getuschel, nichts. Später meinte ich zu Matze, dass es für mich -nach dem Wohnzimmerkonzert beim Kaos Skola Festival– die beste Show war, die ich von ihm sah. Es erreichte mich eben alles zu 100%, weil der gesamte Rahmen so gut passte, dass es mir die Sprache verschlug.
Danach gab es eine kleine Pause, die Leute stürmten raus um sich neues Dosenbier zu kaufen, zu rauchen oder eben bei uns am Merch vorbeizusehen. Schön dort: Dass Menschen zu mir kamen, die Matze bisher so gar nicht auf dem Schirm hatten und so begeistert waren, dass sie sich direkt eine CD oder Platte mitnahmen.
Weiter ging es mit Chuck Ragan. Ach, was soll ich zu diesem Musiker noch schreiben?! 2011 zum allerersten Mal bei der Revival Tour erleben dürfen und egal bei welcher Show man sich danach noch befand: Ich wurde ständig umgehauen. Von seinen Songs, seiner Stimme, seiner Art und Weise.
Und so auch an diesem Abend: Seine Stimme nahm direkt alles ein und drang tief in Hirn und Seele. Da steckt so viel an Energie dahinter, die unbändige Liebe zur Musik spürte man in jeder einzelnen Sekunde. Seine Dankbarkeit, dass er das machen darf und in diesem Augenblick in dieser Kirche steht und seine Songs vorträgt- für Chuck bedeutet das die Welt. Während er dort vorne Vollgas gab, stand ich hinten, schloss mehrmals die Augen und ließ alles auf mich wirken. Es fesselte regelrecht, alles in wir schwappte über, sämtliche Emotionen. Und insgeheim dachte ich: Wie bringe ich es später Matze bei, dass ich nun nur noch Chuck hinterherfahren werde, wenn er auf Tour geht und somit nicht mehr genug Urlaubstage für Herrn Rossi übrig haben werde? Aber ich bin mir ganz sicher: Das war nicht die letzte Tour dieser zwei Männer, sodass sich dieses Problem auch schnell wieder lösen wird.
Bei einigen Songs wurde er von Matze und Jo begleitet, was die ganzen Erinnerungen an die schmerzlich vermisste Revivaltour erneut hochholte, aber ohne Witz: Wie gut diese drei -nicht nur auf der Bühne- zusammen funktionierten. Da sagten Blicke mehr als Worte!
Danach noch einiges verkauft- danke nochmal an den jungen Herren am Einlass, der mir eine Ibuprofen gab. Lebensretter!
Die beste Nachricht: Wir können alles bis zum nächsten Tag stehen lassen, also keine erneute Schlepperei der Kisten! Ja, wer auch öfter mal irgendwo den Merch schmeisst, weiß, dass man sich über solche Aussagen sehr freut.
Danach ging es zurück zum Hotel, Chuck schmiss seine zwei Taschen aus dem Fahrstuhl als die Etage erreicht wurde. Ein Bild, welches ich nie vergessen werde. Lustig, liebenswert und absurd zugleich.
Donnerstag: Ich bastelte bis kurz nach 14 Uhr am kleinen Geschenk für Chuck (danke nochmal an alle, die mir dabei so spontan halfen!), verpasste somit das Frühstück und den Rundgang durch die Stadt. Wir brachen auf, um uns zum Essen in einem schönen kleinen Laden niederzulassen und die freie Zeit zu genießen. Während sich alle anderen geile Sachen bestellten, blieb ich bei meinem Lieblingsstandard: Pizza. Und es war die allerbeste Entscheidung an diesem Tag. Neidvolle Blicke von Gegenüber, aber man teilte ja gerne, ne?
Während man sich pappsatt zurücklehnte, fiel man keine 15 Minuten später dem geliebten Tigeryouth in die Arme. Habe ich schonmal erwähnt, dass es echt mies ist, wenn gute Freunde in anderen Städten und sogar Ländern wohnen? Man sieht sich einfach viel zu selten, deswegen war die Überraschung auch so groß, weil man mit solch einer Begegnung nun wirklich nicht rechnete. Danke an Matze für’s Verschweigen!
Kurze Zeit später fand man sich erneut in der Kirche ein. Ein Gefühl, als wäre man bereits seit 10 Jahren mit Matze, Chuck, Jo und Thomas auf Tour. Jeden Abend in dieser Kirche. Mit dieser Crew. Und es fühlte sich gut an. Merch aufgebaut, sich zusammen mit Tilman den Soundcheck angesehen, alles ruhig angegangen. Die Türen öffneten eine Stunde früher als am Vortag.
An dem Abend war alles ein wenig anders: Die Leute kamen eher einzeln angekleckert und die meisten strömten auch erst dann rein, als Matze bereits auf der Bühne stand und seine ersten Songs spielte. Alles wirkte unruhig und wirklich genießen konnte ich es tatsächlich nicht. Selbst als sich endlich die meisten auf ihren Plätzen befanden, lief alle 10 Sekunden jemand rein oder raus und das war -zumindest für mich- ein sehr großer Störfaktor. Es herrschte eine ganz andere Atmosphäre, die mich nicht wirklich ankommen ließ und so verließ ich manchmal genervt meinen Platz und setzte mich für einige Minuten an den Merchtisch.
Nicht falsch verstehen: Die Musiker waren auch an diesem Abend großartig. Aber diese gewisse Unruhe, die man im vorderen Teil natürlich nicht mitbekam, kostete mich einige Nerven. Hatte das Publikum am Vorabend mehr Sitzfleisch zu bieten? Gab es zu wenig frische Luft in der Kirche ODER WAS WAR DA BITTE NOCHMAL LOS?!
Nichtsdestotrotz waren das zwei wunderbare Abende, die ich nie vergessen werde. Matze, Chuck und Jo sangen und spielten sich in mein Herz und welch schöne Location für solche wunderbaren Musiker. Besser ging es tatsächlich nicht!
Danach hieß es Kisten packen und wieder quer durch die Kirche damit. Was bei Chuck auffiel: Er passt auf seine Leute auf. Er hat sie im Auge. Fragt, ob man schon etwas von der Pizza abbekam oder stellte sich ein wenig tanzend mit einem Pizzakarton in der Hand in die Gehrichtung von einem und bot ein Stück an. Selbst als ich da mit der einen oder anderen Kiste durch den Backstagebereich ging, er dort mit anderen stand und sich unterhielt, drückte er die Leute sanft ein wenig zur Seite, damit ich auch genug Platz hatte.
Ein mehr als bodenständiger Typ, dem eine ganz besondere Aura umgibt. Der auf seine Umwelt achtet, höflich und respektvoll fremden Menschen und seinen eigenen Fans begegnet. Und allein deswegen war es für mich im Vorfeld klar, dass er zusammen mit Matze die perfekte Kombination darstellt, weil sich die zwei sehr ähnlich sind. Liebenswerte Menschen und Musiker mit denen man sich gerne umgibt und für die man gerne arbeitet.
Danach zurück ins Hotel. Da wollte man sich nur eben fix von Thomas, Rossi und Ragan verabschieden, schon wurde versucht mich zu überreden, dass ich am nächsten Tag noch mit nach Münster komme. Nichts hätte ich lieber gemacht, wirklich. Aber wie ich da vor diesen drei Männern stand, sie einen Plan nach dem nächsten schmiedeten, damit ich nicht zurück nach Hamburg zur Arbeit muss und stattdessen mit in den Bus steige, dachte ich: ‚Wtf? Ich bin gerade mal seit gestern halbwegs bei dieser kleinen Tour dabei, verkaufe nur den Merch und sie wollen, dass ich sie noch weiter begleite? Warum?‘ Der Kopf kam nicht hinterher, aber ja: Sie hatten mich wirklich fast so weit, dass ich noch diesen einen Tag mitmache.
Chuck versprach ich aber bei der letzten Mail: Wenn es erneut diese Kombination geben wird, dann werde ich meinen Job kündigen und jeden Tag dabei sein. Also drückt die Daumen, dass es da nochmal solch eine Tour geben wird, denn ich muss sagen: Ich vermisse Chuck, Matze, Jo und Thomas. Sehr. Vielen Dank an diese Menschen, die gesamte Crew, all die Freunde, die ich in kürzester Zeit in die Arme schließen durfte. Das war BALSAM für die geschundene Seele.