‚Es ist eine schwerwiegende Krankheit.‘ Diese Aussage traf neulich mein Chef im Gespräch und es hallt in unregelmäßigen Abständen durch meinen Kopf. Dieses Ding in nur wenige treffende Worte gehüllt. Ich bin dankbar dafür, dass ich Arbeitskollegen und diesen Vorgesetzten habe, die mich nicht einfach abstempelten, sondern diese Angelegenheit ernst nehmen. Viel mehr braucht es da manchmal einfach nicht. Ich weiß gar nicht mehr so genau, warum ich es damals meinen Chef erzählte, aber es ging mir im letzten Jahr alles andere als gut, am Arbeitsplatz funktionierte ich, während die Laune ins Unermessliche rutschte.
Ich wollte mit den offenen Worten eigentlich nur klarstellen, dass ich kein permanent schlechtgelaunter Mensch bin, dass ich keine negative Attitüde habe, nicht abgehoben oder sonstwas bin, sondern es mir einfach schlecht geht und das immer wieder vorkommen kann. Ich war nervös, als ich in der Bürotür stand, die Finger ständig in Bewegung und ich dachte: Sag ich ihm das jetzt wirklich oder lass ich es lieber sein?
Ich entschied mich dafür. Ich redete etwas um den heißen Brei rum, bis er mich mit großen Augen ansah und direkt fragte: ‚Sind Sie depressiv?!‘
Bäm. Voll auf die 12. Ich bejahte und ein riesiger Felsbrocken fiel mir vom Herzen, weil dieses ständige Verstecken endlich ein Ende hatte. Klar, mein timing war mies, lief doch mein Vertrag bald aus und es musste erst geschaut werden, ob es dort für mich überhaupt weitergeht oder nicht.
Es ging weiter.
Was ich damit sagen möchte? Es ist unheimlich wichtig, dass man sich in einer verständnisvollen Umgebung befindet und aufhält. Dass man sich von Menschen dauerhaft entfernt, die einen nicht guttun und einen die Krankheit zum Vorwurf machen, einen manipulieren wollen und einen noch weiter abrutschen lassen, während diese sich einen Platz in der ersten Reihe sichern, um dir beim schmerzhaften Aufprall zuzusehen. Verschwendet nicht eure Zeit und Kraft für solche Leute. Geht weiter, lasst sie hinter euch. Findet heraus, wer eure wahren Freunde sind, die auch in den schlechten Zeiten für euch da sind. Freunde, die man mitten in der Nacht anrufen kann, wenn man das Gefühl des Ertrinkens verspürt. Freunde, die dich wissen lassen, dass sie immer da sein werden, wenn man reden möchte. Freunde, die Verständnis haben, auch wenn es nicht immer leicht ist. Freunde, die keine eingeschränkte Sichtweise haben, sondern etwas mit dem Wort ‚Empathie‘ anfangen können und damit meine ich nicht nur die richtige Schreibweise. Die wahren Freunde die sich melden, einfach so und nicht solche Leute, die nur von sich hören lassen, wenn sie etwas wollen.
Ansonsten? Geht es mir ganz gut. Es gibt natürlich immer wieder diese Ausrutscher in die dunkle Gedankenwelt, keine Frage. Aber ich kann zwischendrin aufatmen, was im letzten Jahr zum Beispiel fast gar nicht gegeben war und ich am Ende fast nicht mehr konnte, weil sämtliche Kraft aufgebraucht war.
Ich kann in den eigenen vier Wänden relaxen, ohne dass mir die Decke auf den Kopf fällt. Die Lichtüberempfindlichkeit ist verschwunden, die mir beim strahlenden Sonnenschein die letzten Nerven raubte. Seit März laufe ich jeden Tag zur Arbeit und zurück, außer es regnet. Steige also nicht mehr in die Bahn, sondern laufe einfach, was ich eh schon immer gerne gemacht habe. Dabei mit der Lieblingsmusik im Ohr, wie Muff Potter., Red Tape Parade, Matze Rossi, Heart of Oak, Lagwagon, Chuck Ragan, Nathan Gray, undundund. Entlang der Landungsbrücken, vorbei am Fischmarkt. Zugegeben, es wird immer ein kleiner Kampf bleiben, mich zwischen vielen Touristen oder Angetrunkenen zu klemmen, aber manchmal bewirken direkte Konfrontationen Wunder und mit bekannten und geliebten Textzeilen und Melodien im Ohr kommt man leichter von A nach B. Auch wenn mir fremde Menschen ab und an einen dummen Spruch zukommen lassen, lässt mich die Musik schneller wieder in den langsameren Puls zurückfinden.
Hoffentlich werden mich nie wieder die zermürbenden Momente heimsuchen, in denen ich keine Musik mehr ertragen kann.
Ich hoffe, dass es euch gut geht und ihr eure wahren Freunde im Leben gefunden und stets einen Strohhalm habt (wie zum Beispiel die Musik), an denen ihr euch in guten wie in schlechten Zeiten klammern könnt. Internetherz!