ClickClickDecker- Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten

Foto: Sophie Krische

Viel zu lange war es ruhig um ClickClickDecker, aber das hat nun zum Glück ein Ende: Am 16. November erscheint das neue Album mit dem berauschenden Namen Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten, drumrum wird es eine klitzekleine Rutsche an Konzerten in Hamburg, Jena und Bonn geben, um diesen besonderen Tag gebührend und ausgelassen zu feiern!

ClickClickDecker, seit unzähligen Jahren nicht mehr aus meinem Musikkosmos wegzudenken. Die Songs stets ähnlich wie zum ersten Mal das Ausprobieren von Brausepulver: hat man es erstmal auf der Zunge und spürt dieses urplötzliche direkte Prickeln und Zischen. Die ersten Sekunden kann man das ungewohnte Gefühl nicht einordnen, alles wirkt wirr und unvorhersehbar. Das Hirn versucht eine passende Schublade dafür zu finden, scheitert aber grandios an der Aufgabe. Das Pulver bleibt in Erinnerung, ein kleiner Nervenkitzel für Zwischendurch. Intensiv, pulsierend, besonders und aufrüttelnd.

Ein Musiker, der mir mit seinen bisherigen Werken immer viel geben konnte, auch wenn ich die Gründe dafür nur schwer in Worte fassen kann. Fehlende Worte für eine schier endlose Liebe, die anhält und scheinbar mit jedem Hördurchgang immer größer wird, auch wenn man denkt, dass das nicht möglich ist. Aber lasst euch gesagt sein: doch, das ist es! ClickClickDecker gibt dir mal liebgemeinte Ohrfeigen, mal eine herzliche und kräftige Umarmung in harten Zeiten und oft ein Heimatgefühl. Heimatgefühl im Sinne von: bewege ich mich außerhalb Hamburgs, für einige oder viele Tage, und die Songs laufen über Ohrstöpsel, dann ist es für mich gleichzusetzen mit Möwengeschrei (ey, mal nicht lachen jetzt!): denn Möwengeschrei und ClickClickDecker verbinde ich mit dem Norden, mit Hamburg, mit dem Stehen oder Sitzen an der Elbe, dem Hinterherschauen der großen und kleinen Schiffe mit mal ratternden oder ruhenden Kopf, mit Tränen in den Augen oder einem leichten Lächeln auf den Lippen, dem Blick in die endlose Weite und die Erinnerung daran, wie sehr ich diese Stadt liebe. Kurz gesagt: fühle ich mich fremd, verlassen und einsam, sind diese zwei Dinge mit an erster Stelle, um mir irgendwie wieder den Boden unter den Füßen wiederzugeben, der mir abhanden gekommen ist.

ClickClickDecker verschanzte sich mit Oliver Stangl und Sebastian Cleemann (natürlich eher bekannt als Petula, ne?), um Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten zu schrauben und was am Ende dabei rausgekommen ist? Nun…

…naja, mal ganz ehrlich? Click konnte uns doch noch nie enttäuschen, nicht wahr? Eben! Somit reiht sich AAdkA nahtlos in die Erfolgsgeschichte ein und zeigt auf wunderbare Art und Weise, welch perfektes Trio sich dort in den letzten Jahren gefunden hat. Drei Freunde, die unheimlich viel Talent besitzen und es auch einzusetzen wissen- somit wird jeder eingefleischte Fan seine Freude dran haben, versprochen!

wo es regnet, kommt auch sonne hin- an wirklich jede adresse

Die Texte mal offensichtlich vor die Füße gerotzt, oftmals aber verzwirbelt und schwer zu knacken. Kopfkino, ein flatterndes Bilderbuch aus alten Zeiten, welches einen streift, anstupst und spielerisch um Aufmerksamkeit bettelt. Eigene Geschichten und Interpretationen türmen sich langsam aber sicher vor den geschlossenen Augen auf, wie ein wackliges Kartenhaus. Ein weiterer Hördurchgang kann dies mit einem einzigen kurzen Windhauch zu Fall bringen oder mit einer Grundmauer absichern. Irgendwas bricht ein, all die Illusionen oder werden bekräftigt. Bis sich all die Geschichten für einen selbst entfalten und festigen, dauert es seine Zeit. Mal nur wenige Stunden, mal auch mehrere Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre. Typisch, wie ich finde: ClickClickDecker ist weit entfernt vom Einheitsbrei, den man viel zu oft vorgesetzt bekommt. Nein, es gleicht eher einem anspruchsvollem Labyrinth, welches viele Ecken, Kanten und geheime Wege offenbart- oder auch einige Sackgassen und noch mehr Fragezeichen. Sprich: manchmal fällt es einen leichter, manchmal eben auch schwerer, sich durchzuwühlen, die richtige Abzweigung zu erkennen, zu verstehen und einzuschlagen.

ich fürchte ja, ich fürchte nein

Strange übrigens: der kürzeste Song Schreckmensch ist übrigens der, der mich direkt sprachlos machte. Mit 1.33 Minuten und einem Satz wurde für mich alles gesagt:

was ich von mir sagen will und was ich von mir halte: ich bin der schrecklichste mensch der welt

Mitten in die Fresse rein. Häh?! werden an dieser Stelle bestimmt viele denken, aber diese eine Aussage…anders angefangen: ich war schon immer anders, seitdem ich ein Kind war. Düstere Gedanken, Freude war meistens nur gespielt, ernsthafte kaum vorhanden. Selbstzweifel, Wut, Suizidgedanken, das Gefühl, immer alles verkehrt zu machen und ein Ballast für sämtliche Menschen zu sein. Oftmals fehlten mir die Worte um zu beschreiben wie ich mich fühle, was mir zu schaffen macht, was auf meinen Nerven liegt. Und dieser Satz von Schreckmensch- der fasst so unfassbar viel von dem zusammen. Von dem, wie ich mich in einer tiefen depressiven Phase fühle und was sich daraus weiter ableiten lässt. Ein Satz, ein knock out. Mit Minutenklopfer davor ein überraschendes aus den Latschen kippen. Schwer zu ertragen, ein Schlag in die Magengrube, ein krümmen am Boden.

wenn ich beginne zu vertrocken, meinen kopf zum schatten neige

Die Stimme von Kevin schwingt hier und da monoton umher, ohne aber monoton zu sein. Ich höre hier schon wieder ein zweites Häh?! auf mich zu rollen! Klar, viele gesangliche Ausbrüche gibt es nicht, aber es wirkt dennoch alles andere als trist, eingestaubt oder langweilig. Monoton ist hier tatsächlich als Kompliment zu verstehen, denn es berührt, nimmt mit, fesselt. Ich würde auch schon fast zum Begriff hypnotisierend greifen wollen. Seine Stimme dringt tief ein, es kann an vielen Stellen schmerzen, wie das berühmte Salz in einer frischen Wunde. Ein mitschleifen zu unverdauten Dingen, die noch im Hinterkopf lagern und zu beschäftigen wissen. Ein rauskramen der Leichen aus dem Keller, manchmal auch ein Versuch mit der Vergangenheit abzuschließen.

der lange marsch zu dir selbst

Hier und da gibt es kleine wunderschöne passende Instrumentalparts, die an einigen Liedern anknüpfen und diese behutsam ausklingen lassen, ohne aber an Kraft und Eingängigkeit zu verlieren. Eine runde Sache. Eine runde Sache zwischen Hamann, Stangl und Cleemann. Eine unfassbare Harmonie, die sich schon durch sämtliche Liveauftritte zog und nun auf diesem wunderbaren Werk ohne Einbüßungen fortgeführt wird. Alles funktioniert, alles klingt wie aus einem frischen Guß. Alles schwingt, klingt einheitlich und ungezwungen. Als ob diese 13 Songs locker aus dem Ärmel geschüttelt und in einem Rutsch für die Ewigkeit in die Welt entlassen wurden. Ein Bandgefüge ohne ‚Ich stehe ganz oben und ihr erst weit nach mir!‘ Gehabe, die drei stehen auf derselben Stufe, auf Augenhöhe. Die Hände werden für den jeweils anderen gerne und ohne zögern in das lodernde Feuer gehalten. Eine gegenseitige Bereicherung auf sämtlichen Ebenen- auch für uns.

Vielen Dank an die Herren für dieses mehr als nur gelungene Album, welches sich definitiv in sehr viele Herzen einbrennen wird. Ich habe mal wieder mehr geschwafelt, als irgendetwas brauchbares von mir zu geben (Reviews liegen mir einfach nicht), aber wer Am Arsch der kleinen Aufmerksamkeiten noch nicht vorbestellt haben sollte, macht das am besten noch heute drüben beim Shop von Audiolith, ja?! Los, rüber jetzt da:

Bestellen: Hier!

Fun fact am Rande: 2009 traf ich mich mit Jess in Berlin. Damals schrieb ich noch ab und zu für regioactive.de und ich fragte sie zu diesem Zeitpunkt einfach, ob sie mich zu dem Interview mit Kevin Hamann begleiten möchte. Wollte sie. Heute sind wir beide hier bei Stay close to your soul und wie fantastisch es doch wäre, nach 10 Jahren nochmal ein Interview zu wiederholen, oder? Jess, 2019 dann, ja?!

Außerdem darf man sich gerne noch Tickets für die Konzerte sichern! Das wird schönschönschön werden!

15.11. Astra Stube – Hamburg (ausverkauft)
16.11. Rosenkeller – Jena
17.11. Bla – Bonn

07.03. Berlin – Funkhaus
08.03. Leipzig – Neumanns
09.03. Nürnberg – Club Stereo
10.03. München – Kranhalle
11.03. Wiesbaden – Schlachthof
12.03. Oberhausen – Druckluft
13.03. Köln – Artheater
14.03. Bremen – Tower
15.03. Hannover – Lux
16.03. Hamburg – Knust

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