Julia über Light & Love von Nathan Gray.

(Kleine Info vorweg: heute ab 19.30 Uhr wird Nathan über Facebook und Instagram ein weiteres Wohnzimmerkonzert spielen. Bitte rechtzeitig einschalten, denn das wird schön werden! Außerdem können wir Nathan auch weiterhin unterstützen: Klick!)

„Until the darkness takes us“ habe ich erst vor kurzem gelesen. Jetzt also „Light & Love“.

Das Buch beginnt mit den Lyrics zu „Light & Love“, zu finden auf dem Album „Feral Hymns“. Ich muss unweigerlich an die Konzerte in Münster und Frankfurt denken. Ganz unterschiedlich, Münster mit Freunden, Frankfurt spontan alleine. Erinnerungen sind was Wunderbares. Dazu der noch frische Eindruck des Akustik-Konzerts aus Nathans Wohnzimmer. Menschen – verteilt um den Globus – sitzen vor dem Smartphone oder Rechner und auch wenn ich alleine auf der Couch saß, da war eine Gemeinschaft. Ein Gefühl, dass wir doch alle im Grunde gar nicht so unterschiedlich sind. Aber zurück zum Buch.

„… because I realize that the importance lies in the simple act of Just Getting The Fuck Back Up. But failure is also a gift because it is part of the process of growing and healing.”

“I’ve learned not to let myself believe each time I fall will be the last time.”

Dieses Wissen, zu fallen und doch wieder aufstehen zu können, ist vielleicht die Kernbotschaft des Buches. Das Fallen im Hintergrund, der Umgang damit, das Wiederaufstehen im Vordergrund. Das Buch beginnt mit dem Ende des Nathan Gray Collectives und dem Gefühl, (musikalisch) auf sich allein gestellt zu sein. Nicht wissend, was jetzt kommen soll.

„The truth is, I struggle hard with my inner critic.”

Nathan Gray schreibt, dass er rückblickend seine selbsterklärten musikalischen Lücken stets mit anderen füllen bzw. schließen wollte. Wie auch in seinem ersten Buch schreibt er über die dunklen Stunden. Angst, Depression, nix geht mehr. Zwänge, Gedanken. Aber daraus folgend die Erkenntnis, genau jetzt das eigene Ding zu machen. Und zwar am besten, bevor man drüber nachdenken kann. Nathan Gray nimmt den Leser mit in die Entstehungszeit von „Feral Hymns“, angefangen mit „Echoes“. Als Initialzündung. Aber weiterhin der Gedanke, nicht gut genug zu sein, dass es für niemanden von Bedeutung ist, was man macht. Wieso denken wir eigentlich alle (oder viele?), dass wir nicht gut genug sind? Wer attestiert uns das? Und wofür gut genug? Wie kommt man aus diesem Gedankenkarussell raus? Wie lernt man damit umzugehen und nicht mehr dauernd Hase und Igel mit sich selbst zu spielen?

Die Albumaufnahmen, das erste Solo-Video, die erste Solo-Show – alles innerhalb von vier Wochen. Er beschreibt, wie steinig, lang und verwinkelt der Weg bis heute war. Vom sexuellen Missbrauch in der Kindheit, toxischen Beziehungen und dem Gefühl, Liebe nicht bedingungslos verdient zu haben. Nathan Gray nutzt seine Stimme, seine Bekanntheit, um genau solche Themen anzusprechen und diesen Dingen eine Relevanz zu geben und zu zeigen, dass man nicht allein ist mit dieser Last. Dass es anderen auch so geht. Und was für Außenstehende hilft:

„You don’t have to solve our problems for us, but it is incredibly valuable and important when you areopen to just sit and listen.”

Während ich das gelesen habe, kam mir das kurz wie ein Déjà-vu vor. Vor kurzem habe ich den Text hier zum Thema Mobbing mit den Worten „Was vor allem hilft: da sein.“ beendet. Die Entstehung von „Working Title“ dann ein weiterer Schritt, ein großer Schritt. Die eigenen Grenzen austestend, bei sich bleibend; mit einem Ergebnis, das vielen aus der Seele spricht. Wie wichtig das Album und der Weg dahin für Nathan waren und sind, das wird beim Lesen des Buches klar. Vor allem, wenn man die einzelnen Songs im Kopf hat und dann noch ein bisschen besser versteht.

Ich habe das schon bei dem Text zu „Until the darkness takes us“ geschrieben: Nathan legt uns seine Gefühle dar. Mit Wucht, mit Offenheit, mit Ehrlichkeit. Sodass man nicht nur einmal denkt „ach du scheiße“, weil er eben nix beschönigt. Warum auch? Dieses Buch ist direkter als „Until the darkness takes us“. Vielleicht auch ehrlicher, eben weil es direkter ist. Aber das muss jeder selbst beantworten. Wenn man Geheimnisse loswerden will, muss man sie aussprechen. Dinge, die man ewig mit sich rumträgt, die das Leben beeinflussen. Nicht, dass die sich dann in Luft auflösen, aber sie aufzuschreiben, auszusprechen hilft und macht sie vor allem greifbar.

Und irgendwie passend, in dieser Situation, die wir grade haben. Dinge aussprechen, miteinander sprechen, denn das Gegenüber (ob real oder digital) kann nicht in den eigenen Kopf gucken! Eigentlich sollten wir alle wissen, dass Aufs und Abs zum Leben gehören, dass nur weil man zwei Treppenstufen gegangen ist und dann nochmal zwei, es auch wieder eine oder mehr nach unten gehen kann. Auch das gehört zu „Light&Love“. Die Rückschläge, die dunklen Tage, längst unter Kontrolle geglaubte Ängste.
Was aber eben auch wichtig ist, ist die Hoffnung. Für den eigenen Weg, dass er dahin führt, wo man möchte. Dass man etwas verändern kann, im Kleinen, im eigenen Mikrokosmos, aber auch im Großen. Gesellschaftlich.
Was zu sagen bleibt: lest das Buch selbst! Es lohnt sich. Und hoffen wir alle, dass Nathan Recht hat, wenn er sagt:

„Love and hope always fucking win.”

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