Im Interview: Jawknee Music.

Foto: Nico Ackermeier

Wenn es eine ‚perfekte‘ Zeit für Interviews gibt, dann ist es zweifelsfrei in diesem Jahr! Dadurch, dass ich größtenteils noch daheim rumsitze und es einfach ein ganz anderer Alltag geworden ist, hat sich tatsächlich die Schreibblockade gelockert und somit sitze ich seit den letzten Wochen am Laptop und verschicke munter Interviews. Was manchmal alles möglich ist, wenn der Arbeitsstress wegfällt, stimmt’s? Obwohl ich denke, dass mich manche Musiker, die ich bereits anfragte, etwas verflucht haben, als sie die Menge der Fragen sahen. Aber was soll ich sagen? 2020 lässt einfach gerade viel zu, um sich Fragentechnisch ein wenig mehr als üblich auszutoben.

Und wer darf bei uns natürlich nicht fehlen? Genau: Jawknee Music aus Trier, der sich hier bei SCTYS bereits einen festen Platz gesichert hat und in unregelmäßigen Abstanden eine Anfrage reinbekommt. Auch dieses Mal sagte er direkt zu und gab Auskunft über die letzten Wochen und Monate: wie erlebte er die nervenaufreibende Zeit? Wie hielt er sich beschäftigt? Und was hat er zu #BlackLivesMatter zu sagen? Das und noch einiges mehr könnt ihr nun lesen.

Vielen Dank an Jawny, dass du dir dafür die Zeit genommen hast. Wir sehen uns hoffentlich irgendwann wieder irgendwo in Deutschland, wenn es mit den Konzerten wieder langsam voran geht!

Corona

Im Februar warst du noch gemeinsam mit 13 Crowes auf Tour- wieviel habt ihr da über Corona mitbekommen? Habt ihr drüber gesprochen?

Wir hatten wirklich ein riesen Glück, die Tour überhaupt spielen zu können. Die ging bis Anfang März und kurz danach ging die Sache dann richtig los. Wir haben schon öfter auf Tour darüber gesprochen und auch schon geahnt, dass das schlimmer wird. Aber das Ausmaß war uns natürlich nicht klar. Zwei Wochen später hätten wir die Tour wohl wie viele andere Bands absagen müssen.

Wann wurde dir so richtig bewusst, dass Corona viel mehr als eine übliche Grippe ist (wie ja noch immer so schön behauptet wird)?

Ich glaube so richtig bewusst wurde es mir, als die Bilder aus Italien kamen und ein Lockdown auch hier bevorstand. Wie der aussehen sollte und was noch erlaubt sein sollte und was nicht, war nicht ganz klar. Und das war ein schwieriges und seltsames Gefühl.

Wie erging es dir in den ersten Tagen und Wochen im Lockdown? Was fiel dir schwer/was leicht?

Licht und Schatten würde ich sagen. Mir fällt es immer schwer, wenn ich keinen Rhythmus habe. Den musste ich mir dann selber schaffen. Hab einfach versucht beschäftigt zu bleiben. Ich habe die Zeit dazu genutzt, sehr viel Klavier, Schlagzeug und Gitarre zu spielen und Sprachen zu lernen. Außerdem habe ich sehr viel Sport gemacht. Also alles in allem war ich sehr produktiv. Soziale Kontakte habe ich größtenteils gemieden und hatte dann natürlich mehr Zeit.

Welches Verhalten der Menschen in dieser ernsten Krise brachte dich am meisten zur Weißglut? Was kannst du gar nicht nachvollziehen?

Wo soll ich anfangen… Ich verstehe jeden, der finanziell und mental unter der Krise zu leiden hat. Manche politische Entscheidungen kann man auch sicherlich kritisieren, besonders was die Lage in der Kulturszene usw. angeht. Aber ganz generell kann man nur froh sein, in solch einem unglaublich privilegierten Land leben zu können. Ich schätze 99% aller Menschen würden gerne mit uns tauschen. Leute, die sich den Regeln widersetzen und scheinbar medizinisch besser Bescheid wissen als Medizin-Professoren, kann ich nicht ernst nehmen. Bei einigen ist das schon fast pathologisch denke ich und das ist schon fast traurig, wie manche Leute abdrehen.

Hamstereinkäufe- wie hast du diese in Trier vernommen? Konntest du die aufkeimende Panik verstehen?

Auch in Trier waren die üblichen Regale leer. Ich habe das bis heute nicht verstanden und habe auch selbst da nicht mitgemacht. Jeder ist sich selbst wohl der nächste, wenn’s rund geht und das drückt sich dann in so einem Schwachsinn aus.

Viele weigern sich wie ein bockiges Kind einen Mundschutz zu tragen- deine Meinung dazu?

Macht mich wütend und zeigt häufig einfach nur, wie scheißegal einigen andere Leute sind. Wenn das das einzige Opfer ist, dass man beim Einkauf bringen muss, gibt es wirklich Schlimmeres. Die Leute wirken auf mich oft wie kleine bockige Kinder, die um jeden Preis recht haben wollen.

VerschwörungstheoretikerInnen- mit welchem Gefühl hast du die Demos verfolgt?

Schwer zu sagen. Mit Wut und Frust. Aber gleichzeitig auch mit Belustigung und Kopfschütteln.

ImpfungsgegnerInnen- deine Meinung? Nachvollziehbar?

Ich verstehe, dass einige Leute da kein Bock drauf haben. Aber erstens gibt es keinen Impfstoff, zweitens wird es keine Pflicht geben. Also viel Lärm und nichts.

Was nimmst du aus dieser Zeit für dich mit?

Die Zeit die man hat gut zu nutzen. Auch in guten Zeiten. Und vor allem das zu schätzen, was man hat.

Welche Vor- und Nachteile siehst du in den Livestreams? Was gefällt dir daran und was eher nicht?

Ich finde es gut, dass man trotz allem präsent bleiben kann und zumindest ein Gefühl von “Konzert” bekommt. Aber irgendwann ist das Interesse auch einfach weg. Ich würde mir ehrlich gesagt auch nicht zugucken. Ist einfach nicht dasselbe und wir alle hoffen, dass es bald vorbei ist.

Heavy Heart

Take a picture wherever you go

Menschen bringen sich für vermeintlich atemberaubende Selfies immer öfter in Lebensgefahr, nicht wenige Versuche eines perfekten Fotos enden tödlich. Was glaubst du, warum es immer mehr ausartet? Was steckt deiner Meinung nach dahinter & wie könnte dieses Phänomen wieder eingedämmt werden?

Alle sind irgendwie auf der Suche nach Aufmerksamkeit und tun dafür immer mehr verrückte Dinge. Ich glaube, die ganzen Sachen wir TikTok, Instagram etc. tun da ihr Übriges. Vor allem geht alles immer schneller und da versucht jeder in ein paar Sekunden alles rauszuholen. Was man dagegen machen kann? Keine Ahnung… Ich denke Eltern sollten ihre Kinder ständig ermutigen, unterstützen und bestärken indem was sie gerne machen. Aber klingt einfacher als es ist denke ich.

Have you read the news lately?

In den letzten Wochen und Monaten überschlugen sich die schlechten Nachrichten regelrecht. Wie leicht fällt es dir, auch mal abzuschalten? Was tust du, wenn es dir mal zu viel werden sollte?

Das fällt mir sehr schwer. Wenn es wieder mal soweit ist, dass mir alles zu viel wird, mache ich Sport und versuche mich komplett auszupowern. Das funktioniert bei mir immer recht gut.

But I tried, I failed, but I’ll try again

Beliebte Frage bei einem Vorstellungsgespräch, aber bei uns auch: wo siehst du deine Stärken? & fällt es dir schwer, deine eigenen Stärken wahrzunehmen? Inwiefern steckt ein Kritiker in dir?

Der Kritiker sitzt wie das Teufelchen immer auf der Schulter. Hab aber gelernt, damit umzugehen und kann das inzwischen ins Positive umkehren.

You truly brought my inner child back to life

Deine früheste Kindheitserinnerung?

Im Wohnzimmer meiner Eltern spielen. Absolut unspektakulär.

I was at the end of my inner strength

Wer oder was hilft dir gut durch schwere Zeiten?

Meine Freundin und meine Familie.

Like it was our last day

Wenn du nur noch 24 Stunden zu leben hättest- was möchtest du in dieser Zeit noch gerne machen/erledigen? Was wäre dir wichtig?

Die Zeit mit meiner Freundin und meiner Familie verbringen. Mehr brauche ich nicht.

And it was always someone else’s fault

Mit welchen Charaktereigenschaften bei anderen Menschen wirst du einfach nicht warm & warum?

Wenn ich mit Leuten oder deren Charaktereigenschaften nicht klar komme, verbringe ich in der Regel auch keine Zeit mit ihnen. Bei Freunden spreche ich das an, wenn ich denke, dass es der Person vielleicht helfen könnte. Ansonsten maße ich mir aber eigentlich nicht an, Leute für irgendwas zu kritisieren. Dafür gibt es genug Dinge, die man an mir kritisieren könnte.

And people sometimes change

Musikalisch wie menschlich- Wie hast du dich in den letzten 10 Jahren verändert? Was würdest du sagen? & was möchtest du in den kommenden Jahren gerne ändern/an was arbeiten?

Ich bin endlich erwachsen geworden. So dumm da auch klingt, aber es stimmt. Ändern will ich nichts. Nur nicht stehen bleiben, immer dazulernen und neue Dinge kennenlernen.

So my doubts keep going on and on

Welche Zweifel sind gerade in diesem Jahr dein ständiger Begleiter?

Keine zum Glück. Generell bin ich sehr zufrieden.

We’ll stand up for what is right

Für was müssten die Leute mehr ihren Arsch hochbekommen?

Das ist glaube ich eine endlose Liste. Siehe Nachrichten.

#BLM

Wie erging es dir, als du vom brutalen Mord an George Floyd hörtest?

Da fehlen einem die Worte. Aber ehrlich gesagt ist es ja nichts neues und das ist das eigentlich Traurige daran. Vor einigen Jahre war auch der Slogan “I can’t breathe” schon in den Medien und bei Protesten auf zahlreichen Plakaten zu sehen. Ich hoffe, dass sich endlich was ändert, habe aber große Zweifel daran.

Viele stehen hinter der Polizei, manche sind zwiegespalten, andere komplett dagegen- wo ordnest du dich ein und warum? ACAB- eine Äußerung, die du unterschreiben würdest?

Nein. Das ist einfach eine hirnlose Aussage von Leuten, die sich wenig Gedanken machen. Natürlich braucht man so ein Exekutivorgan wie die Polizei, es dürfen aber unter keinen Umständen Rassisten und rassistische Strukturen darin existieren.

Was müsste sich deiner Meinung nach grundlegend ändern, damit die Polizeigewalt endlich ein Ende findet?

Ich glaube, da kann ich keine wirklich kompetente Antwort geben. Solche Vergehen sollten aber auf jeden Fall beinhart bestraft werden und es sollten mehr Kontrollen innerhalb dieser Strukturen geben.

Krawalle in den USA wurden aufs Schärfste kritisiert- wie stehst du dazu? Waren die Krawalle angebracht oder hätten es friedliche Demos auch getan?

Plünderungen usw. sind natürlich absolut dämlich und kontraproduktiv. Aber die Wut kann man mehr als verstehen. Wobei “verstehen” nicht heißt, dass man sich in die Position der Schwarzen versetzen kann. Wenn man sowas wie Rassismus noch nie selbst erlebt hat, kann man das glaube ich nicht.

Was meinst du- wird Trump erneut gewählt? Wie schätzt du seine Chancen ein?

Da ist alles möglich. Aber ich persönlich glaube es nicht. Die Leute die vor vier Jahren nicht wählen waren, werden jetzt größtenteils gehen um Trump zu verhindern. Und er hatte ja schon bei der letzten Wahl weniger Stimmen als Clinton. Aber wer weiß das schon…

All Lives Matter als Antwort auf Black Lives Matter- woran liegt es, dass viele Menschen einfach nicht verstehen wollen, wo genau das schwerwiegende Problem liegt?

Ich finde die Aussage “All lives matter” nicht falsch. Ich denke es sollte nur nicht als Antwort auf “Black lives matter” verstanden werden. Natürlich sollten alle Menschen gleich behandelt werden. Leider ist das im Fall der Afroamerikaner und anderen Minderheiten selten der Fall.

Wie gehst du damit um, wenn du Rassismus im Alltag mitbekommst?

Dann mache ich den Mund auf.

Möchtest du noch etwas loswerden?

Danke dir und euch. Macht so weiter! Ich freue mich auf das nächste Interview in persona.

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