Be Well – Hello Sun

Band: Be Well
Album: Hello Sun
Veröffentlichung: 20. Mai 2022
Via: End Hits Records & Revelation Records
Bestellen: End Hits Records oder Revelation Records
Anspieltipps: Von Anfang bis Ende grandios, sodass ich keine einzelnen Songs rauspicken kann, sorry!
Hello Sun in wenigen Worten: Eine großartige EP, die ihresgleichen sucht. Bei diesen Songs bleibt kein Auge trocken. Erschütternd ehrlich, aber gleichermaßen herzzerreißend, eindrucksvoll und wärmend.

Vor zwei Jahren riss das Debutalbum The Weight and The Cost  den meisten HörerInnen ohne Vorwarnung den Boden unter den Füßen weg, all diese Songs wurden aber trotz -oder gerade wegen – ihrer Schwere, trotz ihrer schmerzhaften ausgesprochenen Wahrheit unmittelbar und ohne Umschweife ins Herz geschlossen. Weil es bewegt, weil es genau dort trifft wo es am allermeisten weh tut, weil man sich verstanden und nicht mehr so allein fühlt. All dieses Hadern mit sich selbst, mit den quälenden und immer wieder auftauchenden Gedanken, die einen manchmal regelrecht das Blut in den Adern gefrieren lassen. Dieses Straucheln als Vater, als Elternteil, als Vorbild. Dennoch bleibt dieser Trotz, dieser letzte Hoffnungsschimmer bestehen, sich eines Tages zu ändern, sich selbst so anzunehmen wie man ist, sich selbst mit allen auftretenden Facetten lieben zu lernen und mit dieser Krankheit einen passenderen Umgang zu finden, als diese nur in Alkohol zu ertränken und totzuschweigen. Diese zwölf Songs setzten ein klares Zeichen: für das Leben, für die tiefe Liebe zur Familie und zu Freunden, für den Kampf um die Wahrheit, für das erneute Aufstehen nach einem viel zu tiefen und langen Fall. Dieses Album bewegt die Menschen auf verschiedenste Arten und Weisen, in irgendeiner dieser Songzeilen findet sich jeder von uns wieder. The Weight and The Cost kratzt unfassbar stark an der Perfektion – „Was soll danach schon noch groß kommen?“, werden sich einige jetzt vielleicht fragen. Nun, vielleicht kann ich euch an dieser Stelle ein wenig verraten, was euch so bevorstehen wird:

Die neue EP Hello Sun steht bereits in den Startlöchern und in wenigen Tagen wird diese Harcoreperle endlich das Licht dieser Welt erblicken. Aufregend, oder? Ich glaube, dass diese EP, diese neuen Songs, schon von so vielen sehnsüchtig erwartet wird, dass die Spannung kaum mehr auszuhalten und regelrecht greifbar und spürbar ist. Wahrscheinlich geht es nicht nur uns so, sondern auch der Band, die unzählige Stunden damit verbrachte, diesen einst geschriebenen Songzeilen Leben einzuhauchen – und das, auf ihre eigene und uns so vertraute Art und Weise, die wir alle so sehr lieben.

Be Well hat mit dieser EP, mit diesen sechs Songs, dort angeknüpft, wo sie mit The Weight and The Cost aufhörten: diese besondere Energie und Magie, die einst so schön auf dem Album zu spüren war, findet sich auch bei Hello Sun wieder, was einen direkt wieder dieses wohlige Gefühl vermittelt, an einer starken Schulter zu lehnen und all das, was einen Tag und Nacht umtreibt, mit jemanden teilen zu können: ohne sich dafür zu schämen, ohne sich hinter abgedroschenen Metaphern zu verstecken, ohne sich selbst ständig in Frage zu stellen.

I never told my dad that I wished I was dead (Treadless)

Das Aufleben, Durchleben und Aufarbeiten der Vergangenheit. An die Orte zurückzukehren, an denen man regelrecht verzweifelte und vergeblich um Hilfe betete. Andere Wege zu finden, um Ängste, angestauten Frust und diese bleiernde und festsitzende Traurigkeit loszuwerden, auch wenn es nur für diesen einen kurzen Moment ist. Sich damit allein rumzuschlagen und somit unbemerkt den Weg dafür freizumachen, dass sich die Depression immer mehr in den Kopf einnistet und mit jedem Jahr unaufhörlich wächst und wächst und wächst – bis irgendwann nichts mehr geht.

Saying this out loud makes me feel less alone (I’ll Leave You With This)

Sich einzugestehen, dass man Hilfe benötigt, weil man sich hoffnungslos verirrt hat. Sich Gehör zu verschaffen, sich anderen Schrittweise zu öffnen und somit den aufgestauten Schmerz, den drohenden Kollaps abzumildern. Alles rauszuschreien, um endlich wieder mehr Platz für all das Gute zu machen, was man schon viel zu lange nicht mehr wahrgenommen hat. Das erneute Lernen die kleinen, wundervollen Dinge des Lebens wahrzunehmen, um endlich wieder mehr Licht ins Dunkle zu bekommen. Zu realisieren, dass man zwar oft denkt, vollkommen allein mit all diesem Gefühlschaos zu sein, aber es in Wirklichkeit nicht ist. Der rege Austausch mit der Familie, mit Freunden und mit völlig Unbekannten hilft einen dabei, den Fokus genau dort zu platzieren, wo er gerade am meisten benötigt wird. Daran zu wachsen, zu lernen und mehr und mehr zu verarbeiten. Neue Wege einzuschlagen und die Vergangenheit mehr und mehr zu Grabe tragen.

I feigned confidence, and promised I’d be fine (An Endless Loop)

Ausweglosigkeit. Die Lügen aufrecht zu erhalten, um vorzugaukeln, dass es einen besser geht, obwohl das komplette Gegenteil der Fall ist. Manches abzufedern, bevor man es ausspricht, um den ganzen emotionalen Ballast nicht komplett auf jemand anderen zu übertragen und abzuwälzen. Die Angst davor, dass es keine Heilung mehr gibt. Das Gefühl, dass man die Zügel schon längst nicht mehr selbst in den Händen hält und man nur noch von dieser Krankheit durch’s Leben gelenkt wird und wirklich jedes einzelne Schlagloch auf diesem endlos langen und unebenen Weg mitnimmt und einen immer wieder zurückwirft. Das Zähneknirschen, der bohrende Kopfschmerz, die schlaflosen Nächte, die brennenden und rotunterlaufenden Augen. Das Torkeln zwischen Aufgabe, Alltagsbewältigung und das ständige stranden in einer Sackgasse. Die Kräfte schwinden, um sich gegen diese Wucht des erneuten Aufpralls zu schützen. Das Innere zerbröselt, bis man sich selbst kaum noch wiedererkennt und alles immer mehr vor den eigenen Augen verschwimmt und kaum mehr wahrnehmbar ist

Hello Sun, wake me up // Take away what the darkness brought (Hello Sun)

Die Hoffnung schwindet nie komplett. War die vorherige Nacht noch unfassbar anstrengend, nervenzehrend und aufwühlend, versucht man sich an einen neuen, anbrechenden Tag zu klammern. Sich zu wünschen, dass alles anders und besser aussieht, wenn die ersten Sonnenstrahlen das Haus erreichen, und einen Stück für Stück diese wohlige Wärme schenken, die man gerade so dringend benötigt. Tief ein- und auszuatmen und einfach im Hier und Jetzt zu sein und alles andere für einen kurzen Augenblick zur Seite zu schieben. Einen Neustart wagen, auch, wenn man noch immer wackelig auf den Beinen steht und jeden Moment droht zur Seite wegzukippen. Neu anzusetzen, an sich zu arbeiten, um sich mehr und mehr aus diesem tiefen Loch zu befreien. Rückschläge sind vorprogrammiert, aber mit jedem neuen Tag gibt es eine neue Chance, uns erneut aufzurappeln und uns nach oben zu ziehen, auch, wenn es unfassbar schwer fällt.

If am left with only one wish // it`s that you won’t grow up and feel like this (Only One Wish)

Dieser tief verwurzelte Wunsch, dass die eigene Tochter gestärkt aufwächst und sich nicht mit all den Ängsten, mit dieser dunklen und bedrohlichen Wolke über den Kopf rumschlagen muss, die wie Teer an einen klebt und nur sehr selten abzuwaschen und zu vertreiben ist. Das Hoffen, dass sie mit Schmerz, mit Verlust, mit all den negativen Emotionen einen gesünderen Umgang findet und am Ende nicht daran zu ersticken droht.  Öfter das Gespräch zu suchen, zu erzählen, wie man selbst in ihrem Alter war und es als Vater anders und besser zu machen, als man es selbst erlebt hat, erleben musste. Aufzuzeigen, dass es vollkommen okay ist, sich von Situationen, vom Leben überfordert zu fühlen, aber auch zu verdeutlichen, wie wichtig es ist um Hilfe zu bitten, wenn einen etwas droht über den Kopf zu wachsen und allein nicht mehr zu bewerkstelligen ist. Dass es okay ist, verletzbar zu sein, und dass man sich nicht für seine Emotionen, für seine Gedanken, für all die Ängste schämen muss, wenn man diese laut ausspricht, sondern viel Akzeptanz dadurch erfährt und neue Lösungswege aufgezeigt werden.

But I want to get better, I want to change (In The Shadow Of Who You Thought I Was)

Das Aufbrechen zu neuen Ufern. Sich nicht mehr an der viel zu vertrauten Stelle aufzuhalten, an der man schon viel zu lange steht und einfach nicht vorankommt. Anfangen zu kämpfen – für sich selbst, für die Familie, für die Freunde. Sich einzugestehen, dass man es nicht allein schafft, um sich von all den Schlingpflanzen zu befreien, die sich fest um den eigenen Körper schlingen, einen mehr und mehr die Luft zum Atmen nehmen und nicht mehr von einen ablassen, so sehr man sich auch windet und fleht. Der Befreiungsschlag, das plötzliche Wachrütteln. Diese eigene Ungläubigkeit darüber, wie lange man sich in diesem besorgniserregenden Zustand befunden hat, ohne es wirklich selbst bemerkt zu haben. Das Auftauen, dieser neue Ansatz, das längst überfällige Ändern einiger Umstände, um damit einige Dinge wieder zu begradigen. Der tiefe Wunsch, sich zu ändern, sich zu wandeln, gesund zu werden und wieder aktiver am Leben teilzunehmen. Der Blick in eine bessere Zukunft. Der Blick zu einem besseren Ich.

Fazit: Hello Sun ist bedrückend, schmerzhaft und teilweise schwer auszuhalten. Dennoch verströmt diese EP auch die nötige Hoffnung und den unbändigen Willen, am Leben festzuhalten, auch wenn die Wellen manchmal viel höher schlagen, als man es in diesen einen Moment verkraften kann. Der Kampf mit sich selbst, all die fast unüberwindbaren Hürden stehen auch hier im Mittelpunkt und erzählen die Geschichte, die einst mit The Weight and The Cost begann, weiter, ohne aber wie aus einem Guss zu wirken. Hello Sun beinhaltet zwar nur sechs Songs, aber selbst diese fühlen sich wie ein komplettes Album an. Das längere Verschnaufen, welches man nach dem ersten Hördurchgang einlegen muss, wird mit jedem Mal kürzer und statt der Tränen, die gerade am Anfang immer wieder laufen, wächst man an diesen Songzeilen, so komisch es an dieser Stelle auch klingen mag. Ja, es tut verdammt weh, sich mit diesen Songs auseinanderzusetzen, aber auf der anderen Seite hilft es auch ungemein dabei, eine neue Perspektive für sich selbst zu finden, an sich selbst zu arbeiten – für ein besseres Leben für einen selbst, was einem so lange verwehrt geblieben ist.

Brian McTernan, Mike Schleibaum, Peter Tsouras, Shane Johnson und Aaron Dalbec sind in diesen kurzen Jahren zur wahren Einheit verwachsen, die man in jeder einzelnen Sekunde dieser EP hören und vorallem spüren kann. Diese Songs verströmen einen gewissen Komfort, einen ganz besonderen Wohlfühlcharakter, so ist es zumindest bei mir der Fall. Ich fühle mich aufgehoben und wie ein Teil dieser großen, unsichtbaren Familie, dieser überragenden Community. Be Well ist eine Band, auf die sich alle sofort einigen können: Während Brian all seinen angesammelten Schmerz, seine aufgestauten Ängste in diese Welt, in unser Wohnzimmer bringt, sind wir alle da, um ihn so gut es geht aufzufangen. Be Well mutiert mit jedem weiteren Tag zur neuen Lieblingsband von so vielen Menschen da draussen, die Kreise, die diese Band zieht, werden stets größer und das freut mich so sehr zu sehen, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Eine Band, die so viel Kreativität, Talent, Engagement und Leidenschaft einfließen lässt, bleibt nicht lange ungeliebt und ungesehen. Und schon gar nicht mit Hello Sun, die wie der fulminante Vorgänger The Weight and The Cost unzählige Herzen höher schlagen lassen wird, versprochen! Absolute Kaufempfehlung!

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